0191 - Sing-Sing ist kein Erholungsheim
schon antworten? »Wieso denn? Warum sollen wir dich umlegen?«
Rock Nelsons Gesicht war plötzlich hart geworden. Ein unverhüllter Zug von Brutalität erschien um Kinn und Mund. »Machen Sie mir nichts vor, Valley! Sie haben keinen Dummkopf vor sich! Wer zwei G-men ins Jenseits befördert, der hat keine Skrupel, auch einen Burschen wie mich umzulegen! Da drin«, Nelson trat einen Schritt zurück und klopfte mit der Faust gegen den schweren Lastwagen: »Da drin dürften einige Millionen liegen. Je mehr Leute, um so kleiner der Anteil für jeden! Also los, Valley, rücken Sie schon mit der Sprache raus! Wann werde ich an der Reihe sein?«
Valleys Augen hätten sich zu schmalen Schlitzen zusammengezogen. Mit einem verächtlichen Achselzucken wischte er alle Bedenken beiseite und sagte höhnisch: »Selbstverständlich kommst du auch an die Reihe, Kleiner! Nur nicht so eilig! Du wirst es vielleicht merken, wenn dein Stündlein geschlagen hat. Vielleicht merkst du’s auch nicht, weil alles zu schnell geht, das wird sich ja zeigen…«
Rock Nelson nickte ein paarmal vor sich hin, als habe er soeben nur die Bestätigung einer Sache erhalten, die er längst wußte. Aber noch immer war seine linke Hand in der ausgebeulten Hosentasche. Ganz langsam ging er auf den Abgrund zu, sah gedankenvoll hinab und stützte den linken Fuß wieder auf die Leitplanke.
Valley hatte sich wieder der anderen Straßenseite zugewandt, so daß sein Rücken der Schlucht zugekehrt war.
»Worauf warten Sie eigentlich?« fragte Nelson.
»Worauf soll ich schon warten? Auf unsere Leute! Auf die, die da oben die Lawine in Gang gesetzt haben!«
»Jedenfalls haben sie gute Arbeit geleistet«, sagte Nelson. »Die Limousine da unten fängt an zu brennen. Bis jetzt ist noch keiner der Insassen herausgekommen. Wenn sie nicht schon beim Sturz herausgeschleudert wurden, werden sie jetzt in dem Wrack ein kostenloses Krematorium haben.« In seiner Stimme lag nicht eine Spur von Gefühl, von Mitleid, von der leisesten Teilnahme.
»Wir leisten immer gute Arbeit!« verkündete Valley stolz, während er noch immer mit weit zurückgelegtem Kopf die Steilwand musterte.
»Sieht so aus«, gab Nelson leise zu, nahm das linke Bein von der Leitplanke herunter und stützte das rechte auf.
Valley merkte nicht, daß Nelson mit diesem Trick einen halben Schritt nähergekommen war.
»Wie soll’s denn jetzt weitergehen?« erkundigte sich Nelson, als dächte er überhaupt nicht mehr daran, daß man ihm sein bevorstehendes Ende angekündigt hatte.
»Eigentlich wollten wir weiter vorn eine Straßensperre errichten, so daß die beiden G-men beschäftigt gewesen wären. Ein paar unserer Jungens wollten sich hier abseilen, zu Fuß die Dreiviertelmeile bis zur Sperre nachkommen und den beiden letzten G-men dann in den Rücken fallen. Wenn diese Esel doch schnell genug aufkreuzen würden!«
»Warum? Die Sache mit der Sperre weiter vorn ist doch nicht schlecht?«
»Aber hier ist die Gelegenheit noch günstiger! Wir fahren den Jaguar zurück bis zu einer Stelle, wo die Leitplanke von der Lawine weggerissen wurde, und lassen den Schlitten dort in den Abgrund rollen. Gleichzeitig können wir die G-men da unten bequem abputzen! Sie stehen doch wie auf einem Präsentierteller und sind völlig ahnungslos!«
Rock Nelson schob anerkennend die Unterlippe vor, schnalzte und nickte. »Kein schlechter Gedanke«, gab er zu. »Das wäre das beste. Wenn die Brüder da unten liegenbleiben, denkt jeder, der sie von hier oben zufällig sieht, sie wären aus dem Wagen herausgeschleudert worden. Da macht sich niemand die Mühe hinunterzuklettern. Der nächste Sheriff oder die nächste Polizeistelle der Highway Patrol wird alarmiert werden. Aber bis die hier eingetroffen sind, unten angekommen, wieder heraufgeklettert sind und alles weitergemeldet haben - bis dahin können wir längst über alle Berge sein.«
»Wir?« wiederholte Valley spöttisch. »Sagtest du wirklich wir?«
»Ich war so frei«, nickte Nelson. »Ich sagte: wir! Und ich meinte damit…«
Er sprach nicht zu Ende. Der peitschende Knall eines Schusses war hoch über ihnen laut geworden. Als sie zum Rand der Felswand auf der linken Straßenseite hinaufblickten, sahen sie ganz oben ein winziges Wölkchen aufsteigen. Nelson warf sich herum und blickte in die Schlucht hinab. Er sah gerade noch, wie die beiden G-men drunten sich mit einem weiten Satz hinter einem Felsblock in Deckung brachten.
»Na, endlich!« rief Valley und
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