0197 - Mörder im Chinesenviertel
einsperren.«
Sie stöhnte, griff aber nach Papier und Stift und schrieb. Als ich mir die Liste angesehen hatte, nickte ich zufrieden. Neun Namen — neun Kreuze. Jeder einzelne also ein Opiumraucher. Wahrscheinlich war ihre sogenannte Pension nur ein Aushängeschild.
»Wissen Sie, woher der Chinese, der Sie belieferte, das Opium bezog?«
»Nein. Ich habe keine Ahnung.«
»Einer Ihrer Pensionsgäste nennt sich Jim Cacks. Kennen Sie ihn?«
»Natürlich kenne ich ihn. Er wohnt doch hier.«
»Wievielmal hat er schon geraucht?«
»Höchstens dreimal.«
Ich legte ihr die Liste mit den Namen wieder vor und sagte:
»Machen Sie ein zweites Kreuzehen hinter Jedem, den Sie schon für süchtig halten. Aber betrügen Sie uns nicht! Seien Sie sich darüber klar, daß wir jede einzelne Ihrer Angaben nachprüien!«
Widerstrebend malte sie vier weitere Kreuzchen auf die Liste. Ich steckte das Blatt wieder ein und erkundigte mich: »Kam dieser Li-Tschou immer allein, wenn er Ihnen das Opium brachte?«
»Nein. Er hatte immer zwei Männer dabei. Komische Figuren. Sie machten den Mund kaum auf, aber ihre Augen waren flink. Richtige Schläger typen.« Ich warf Phil einen kurzen Blick zu. Wenn sich Li-Tschou sogar eine Leibgarde halten konnte, war er sicher kein kleiner Fisch im großen Gangsternetz gewesen. Ein kleiner Zwischenhändler kann sich keine Leibwache leisten.
»Wissen Sie, wie diese beiden Männer heißen, die Li-Tschou immer begleiteten?« fragte ich und hatte keine Hoffnung, diese Frage beantwortet zu erhalten. Aber gegen meine Erwartung sagte die Frau:
»Der eine nannte sich Gibson, der andere O'Brien. Ob diese Namen stimmen, kann ich natürlich nicht sagen.« Phil notierte sich bereits die beiden Namen. Er fragte nach dem Aussehen der beiden Männer und schrieb auf, wie Mrs. Forbydes die beiden beschrieb. Viel war mit ihrer Beschreibung natürlich nicht anzufangen. Untersetzte, kräftige Männer mit Alltagsgesichtern im Alter von ungefähr dreißig Jahren laufen in New York einige Hunderttausende herum.
Als dieser Punkt mit den Gorillas erledigt war, fuhr ich fort:
»War jemals ein Mädchen in Begleitung des Chinesen, wenn er das Opium brachte?«
»Nein. Niemals.«
»Kennen Sie einen jungen Kunstmaler namens Joe Hiller?«
»Hiller?« wiederholte sie. »Ich kenne einen Mann, der Hiller heißt, aber der ist kein Kunstmaler. Der ist ein pensionierter Beamter vom Gesundheitsamt. Ungefähr fünfundsechzig Jahre alt. Er erledigt ab und zu ein paar Botengänge für mich, weil ich nicht so gut auf den Beinen bin. Das Rheuma…«
Ich unterbrach sie, um mir nicht womöglich eine endlose Litanei über Krankheiten anzuhören.
»Das kann er nicht sein. Einen Kunstmaler, der Joe Hiller heißt, kennen Sie jedenfalls nicht?«
»Nein, bestimmt nicht.«
»Okay, das wäre alles für heute. Sie dürfen die Stadt nicht verlassen, ohne sich vorher mit uns in Verbindung gesetzt zu haben. Wir werden Sie noch brauchen. Komm, Phil!«
Mein Freund sah mich erstaunt an. Erst als wir im Lift standen und hinabfuhren, fragte er:
»Warum sind wir so plötzlich aufgebrochen. Jerry? Wir hätten uns doch die Zimmer noch ansehen sollen! Außerdem hätten wir nachsehen können, wer von den Opiumrauchern gerade im Hause war.«
»Das können wir immer noch machen«, erwiderte ich. »Ist dir nicht aufgefallen, daß die Frau so oft nach der Uhr blickte?«
»Doch, sicher. Sie war eben nervös. Es dauerte ihr einfach zu lange mit uns.«
»Oder sie erwartete jemand, von dem sie nicht wollte, daß wir ihm begegneten.«
Phil stieß einen knappen Pfiff aus. »Aber dann hätten wir doch gerade bleiben sollen!« meinte er.
»Das tun wir ja auch«, grinste ich. »Nur braucht es Mrs. Forbydes nicht unbedingt zu wissen, nicht wahr? Wir werden das Haus verlassen, in den Jaguar steigen und wegfahren. Denn ich wette, daß die Alte uns vom Fenster aus beob-.'teiltet. Aber wir kommen zurück. Das Haus hat bestimmt einen Hintereingang. Und die Etage, in der Mrs. Forbydes ihre sogenannte Pension betreibt, ist zum Glück so geschachtelt, daß wir uns leicht in einer Ecke verstecken und die Eingangstür zur Pension beobachten können.«
Phil rieb sich die Hände.
»Das ist ein guter Gedanke«, sagte er. »Ich bin gespannt, was dabei herauskommt. Daß die Alte Dreck am Stecken hat, steht ja fest, die Frage ist nur, was Tür eine Figur in diesem Spiel stellt sie dar? Eine Randfigur? Oder ist sie mehr?«
»Das werden wir schon noch herausfinden«,
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