02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
Mission«, sagte Mariann. Khalid war zwar beeindruckt von Wilsons Engagement und hohem Rang, stimmte jedoch nur einem Kontakt durch »offizielle« irakische Kanäle zu, was zu jener Zeit völlig unmöglich war.
Aber noch im selben Monat kam der Durchbruch. Khalid wollte die Kinder in Mosul einschulen und benötigte dafür Kopien ihrer Geburtsurkunden, die vom amerikanischen
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Außenministerium beglaubigt sein mußten. Wilson schlug einen Handel vor: Die Botschaft werde die beglaubigten Kopien zur Verfügung stellen, wenn Khalid bereit sei, Mari-ann anzurufen.
Einige Tage später meldete sich Wilson bei Mariann: »Ich habe Ihren Mann hier. Er will mit Ihnen sprechen.«
Khalids Ton war aufreizend lässig: »Na, wie geht's?« Mariann mußte ihren Ärger zügeln, denn das Ministerium hatte ihr eine strikte Anweisung erteilt: »Seien Sie so freundlich wie möglich, und halten Sie das Gespräch in Gang. Wenn Sie ihn verärgern, ruft er nicht mehr an.«
Nachdem sie erfahren hatte, daß die Kinder wohlauf und eingeschult seien, fragte sie, ob sie sich ihnen in Mosul anschließen könne. »Natürlich«, sagte Khalid, als habe er das schon immer gewollt. Sie vereinbarten, daß Mariann versuchen sollte, in der irakischen Botschaft in Washington, die damals noch nicht geschlossen war, ein Visum zu bekommen. Khalid würde ihr bei eventuellen Schwierigkeiten helfen.
Nun hatte Mariann wieder Freude am Leben. Um die Reise zu finanzieren, verkaufte sie ihren gesamten Besitz und ließ ihre Antiquitäten für 5000 Dollar versteigern. Dann zog sie zu ihrem Bruder und dessen Frau, Tom und Mary Ann Smith. Sie hatte schon das Flugticket nach Bagdad in der Tasche, als sie im Oktober von der irakischen Botschaft erfuhr, daß sie für ein Visum eine formelle Einladung aus Bagdad benötige. Später fand sie heraus, daß, bedingt durch die Krise, kein Visum ohne Bestätigung durch einen irakischen Bürger ausgestellt wurde, in ihrem Fall durch ihren Mann.
Khalid rief Mariann Ende Oktober aus der amerikanischen Botschaft in Bagdad an und versicherte ihr, er werde
»von hier aus alles tun«. Sie solle auf seinen Anruf warten und sich bereit halten.
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Aber die Wochen vergingen, und kein Anruf kam. Als Amerika sich für den Krieg rüstete und Präsident Bushs Ultimatum für den irakischen Rückzug immer näher rückte, versank Mariann erneut in Depressionen.
»Weihnachten stand vor der Tür. Den ganzen Tag liefen Werbespots mit Kindern, die sagten, wie schön das Fest sei. Ich fühlte mich so mies, daß ich nicht wußte, wie lange ich das noch ertragen würde.«
Am 21. Dezember meldete sich Khalid endlich mit einer guten Nachricht: Ihr Visum war genehmigt worden.
Mariann fragte nach den Kindern, und Khalid erwiderte, daß Adam gerade draußen spiele. »Ich schrie ins Telefon: >Gib ihn mir! Bitte, bitte, gib ihn mir!< Seit der Entführung ein halbes Jahr zuvor hatte ich nicht mehr mit den Kindern gesprochen. Adam kam ans Telefon und flüsterte nur: >Hallo, Mom!< Ich fing an zu weinen.
Im Hintergrund hörte ich die Anweisungen seines Vaters. Adam sagte, ihm und seiner Schwester gehe es gut, er habe keine Probleme mit seinem Asthma, er liebe mich und vermisse mich und ich solle bald kommen. Ich konnte zehn Minuten lang mit ihm sprechen, dann wurde die Verbindung unterbrochen.«
Am 25. Dezember wurde Mariann um drei Uhr morgens von einem irakischen Konsularbeamten aus Bagdad angerufen. »Frohe Weihnachten«, sagte der Mann. »Sie bekommen Ihr Visum.« Während er ihr eine wichtige Telexnum-mer durchgab, starrte Mariann auf das Telefon und dachte: Das muß ein Witz sein.
Es war kein Witz, sondern Realität, doch Marianns Un-gewißheit war damit noch nicht zu Ende. Sie kaufte ein Tik-ket für den nächsten Flug nach Amman, Jordanien, am 12. Januar. Weil sie nur noch wenig Geld hatte, mußte sie befürchten, von dort die 800 Kilometer bis Bagdad nicht mehr Weiterzukommen. Der Flug von Amman nach Bagdad musste in Jordanien gebucht werden, da in den USA niemand 241
Flugtickets in den Irak verkaufte. Und sie wußte, daß der Reisetermin gefährlich nahe am 15. Januar lag - dem Tag an dem Hussein seine Truppen aus Kuwait zurückziehen sollte.
Am Tag der geplanten Abreise nach Jordanien wurde die amerikanische Botschaft in Bagdad geschlossen. Es hatte keinen Zweck mehr zu fliegen; auch der gesamte kommerzielle Luftverkehr in den Irak wurde eingestellt.
Khalid, der nun öfter anrief, riet Mariann: »Warte, bis der Krieg vorbei ist. Er
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