02 - Geheimagent Lennets erster Auftrag
schattenhaftes Lächeln zu zeigen.
Silvia als Geheimagentin
Das Mittagessen verlief recht lustlos.
Hauptmann Montferrand hatte angekündigt, daß er in dauernder Hörbereitschaft bleiben wolle; er wußte nur zu gut, daß die Mannschaft des FND Sendeschwierigkeiten hatte. Er hatte darauf hingewiesen, daß die Polizei ihre Suchaktionen voll Eifer weiterführte, doch daß sie offenbar die Spur des Professors verloren hatte.
»Jedenfalls", hatte er hinzugefügt, »werde ich Entscheidungen treffen, wenn sie mir notwendig erscheinen.«
Das bedeutete, sagte sich Lennet, daß Montferrand Verstärkung schicken würde, was zwar beruhigend, aber auch ärgerlich war.
Professor Marais schien sich seiner Kindereien einigermaßen zu schämen, stellte daher nur zwei bis drei Scherzfragen während der Mahlzeit, die übrigens Silvia doch noch zubereitet hatte.
»Herr Professor", begann Lennet, »ich bitte Sie um eines.
Heute nachmittag fahren Silvia und ich im Wagen weg.
Verlassen Sie den Keller unter keinen Umständen!«
»Ich verspreche es Ihnen, junger Freund.«
Im Mercedes fragte Silvia den Agenten: »Vermutlich unternehmen wir nicht nur eine Spazierfahrt?«
»Freilich nicht. Ich möchte dir eine geheime Aufgabe anvertrauen. Nur du kannst uns jetzt aus unserer mißlichen Lage, in der wir den schießenden Nordafrikanern und den uns verfolgenden Ostagenten ausgeliefert sind, retten.«
»Ich? Oh, prima! Sag mir, was ich tun soll.« Lennet teilte ihr seinen Plan während der Fahrt mit.
»Herrlich!« begeisterte sie sich.
»Hast du auch gut verstanden, was du zu sagen hast?« Er ließ sie mehrmals ihre Rolle wiederholen.
»In der Fachsprache heißt das, was wir jetzt tun werden, Intoxikation, Vergiftung", erklärte er. »Sie besteht darin, dem Feind falsche Informationen zuzuspielen, damit er so handelt, wie wir es wünschen.«
Kurz vor Figueras verlangsamte der Mercedes seine Fahrt, und Silvia sprang aus dem noch rollenden Wagen. Von nun an konnten die jungen Leute beobachtet werden; sie bemühten sich daher, sich so zu benehmen, als wüßten sie das nicht.
Lennet fuhr weiter, durchquerte rasch das Dorf und wandte sich dann nach Port-Vendres, wo er lange Batterien suchte, die, wie er wußte, nicht aufzutreiben waren. Ohne daß ihm jemand folgte, fühlte er sich bespitzelt; in allen Läden, die er betrat, beklagte er des langen und breiten sein Mißgeschick und fuhr erst zwei Stunden später wieder zurück.
Mittlerweile hatte sich Silvia ganz ungezwungen im Dorf umgesehen.
Das Wetter war schön, wenn auch etwas frisch. Ein Wind von der See pfiff durch die engen Gassen. Silvia schritt munter drauflos und dachte dabei, ich, Silvia Marais, die bis vor vierundzwanzig Stunden noch nichts von der Existenz des FND
wußte, bin nun eine Geheimagentin geworden!
Sie drehte sich mehrmals um, um zu sehen, ob ihr jemand folgte. Aber woran erkannte man einen Verfolger? Bestimmt war's kein Mann in Regenmantel und Schlapphut, wie man ihn vom Kino her kannte. War es am Ende dieser Mann vor der Gaststätte oder diese Hausfrau, die ihren Besorgungen nachging?
Silvia lief zur Post, ohne sich umzuwenden. Erst beim Betreten des Amtes gestattete sie sich einen kurzen Blick nach hinten. Ein junger Mann, wie ein Tourist gekleidet - gab es denn hier im November überhaupt Touristen? -, überquerte pfeifend die Straße.
Beim Schalter verlangte Silvia zwei Ferngespräche mit Paris.
Sie gab eine willkürlich gewählte Nummer an, dann die einer ihrer Schulfreundinnen. Heute war Sonntag, da würde Marie zu Hause sein.
»Warten Sie einen Augenblick", sagte das Postfräulein.
Der Tourist trat ein und verlangte, ohne Silvia anzusehen, ebenfalls eine Pariser Nummer. Er tat gelangweilt.
Daß er mich nicht ansieht, ist nicht normal, dachte Silvia, die keine geringe Meinung von ihrem Äußeren hatte. Das muß ein feindlicher Agent sein.
Nach fünf Minuten rief das Postfräulein: »Zelle Nummer eins!«
Diese genaue Angabe war unnötig, denn es gab im Postamt von Figueras nur eine einzige Telefonzelle.
Silvia betrat sie und bemerkte, daß sich der Tourist näherte.
Sie nahm den Hörer ab. Eine mürrische Männerstimme sagte:
»Hallo, hallo?«
»Hallo, hier Satellit", begann Silvia mit lauter und deutlicher Stimme aufzusagen. »Sonne von Satellit, ich rufe Sie auf Befehl Merkurs, um nicht...«
»He? Was? Was reden Sie da?«
»... um nicht die Aufmerksamkeit der anderen zu erregen.
Alles in Ordnung. Nur haben wir eine Funkpanne, deshalb
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