02 - Heiße Nächte der Leidenschaft
hatte sich der Graf von Slaslow nur mit einer
Sache beschäftigt, und zwar der, von der er regelrecht besessen war. Er hatte
Madeleine angefleht.
»Was zum Teufel
kann es schaden, es zu versuchen, Liebling?«
Madeleine blickte
nicht einmal von Gracies runder, harter Flanke auf, die sie mit einem Striegel
bearbeitete. »Es ist nicht richtig. Du bittest mich zu lügen.« Störrisch
presste sie die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, wie es Braddons
Familie bei ihm noch nie gesehen hatten.
Er verdrehte die
Augen, und das nicht zum ersten Mal an diesem Tag. »Siehst du denn nicht, dass
diese kleine Lüge einer guten, viel größeren Sache dient?«
»Welcher größeren
Sache?« Madeleines französischer Akzent wurde stärker, wenn sie etwas nicht
verstand.
»Na, eben einer
größeren Sache«, wiederholte er wenig überzeugend. »Diese Redewendung bedeutet
... nun, dass es nicht schlimm ist, wenn man etwas unbedeutendes Falsches tut,
um eine größere Sache zu erreichen, die gut ist.«
»Da sagen unsere
französischen Philosophen aber etwas ganz Anderes«, fuhr sie ihn an. »Monsieur
Rousseau behauptet, dass nur les bons sauva ges, die wahrlich
Unschuldigen, Gutes tun.«
Braddon verdrängte
die alarmierenden Beweise ihrer Bildung, die Madeleine ihm in Momenten der
Anspannung an den Kopf zu werfen pflegte. Wagemutig streckte er die Hand aus,
um ihr über die Wange zu streichen. In letzter Zeit hatte sie sich wie eine
Tyrannin aufgeführt und ihm nicht einmal gestattet, sie zu küssen. In diesem
Moment zum Beispiel hatte sie dafür gesorgt, dass sich Gracies Körper zwischen
ihnen befand.
»Bitte, Maddie.
Bitte. Ich möchte, dass du meine Gräfin wirst«, flüsterte Braddon. »Ich möchte,
dass du meine Kinder zur Welt bringst. Ich möchte abends dein Haus nicht
verlassen und in meines zurückkehren müssen. Ich möchte, dass du bei mir lebst.
Verstehst du nicht, ich möchte, dass du meine Frau wirst, nicht meine Geliebte!«
»Du kannst nicht
alles haben, was du willst«, murmelte Madeleine, aber Braddon sah ganz
deutlich, dass ihre Gesichtszüge etwas weicher wurden. Außerdem bewegte sich
ihre Hand gar nicht mehr so energisch über Gracies Kruppe.
Er blickte auf den
Kragen von Madeleines gestärktem weißen Schultertuch und schluckte. Er sehnte
sich danach, über die süße Haut herzufallen, die züchtig unter der weißen
Spitze hervorlugte.
»Nur drei Wochen,
Maddie. In drei Wochen kann ich dir bei einem Ball begegnen und mich in dich
verlieben. Dann können wir mit einer besonderen Genehmigung heiraten, so wie es
Patrick und Sophie getan haben. Und wenn wir erst einmal verheiratet sind, wird
keiner mehr einen Gedanken an deine Vergangenheit vergeuden. Du bist dann die
Gräfin von Slaslow, und nie
mand stellt
neugierige Fragen über eine Gräfin.«
Zum ersten Mal
schien Madeleine die Idee nicht mehr kategorisch abzulehnen.
»Ich könnte es
nicht«, murmelte sie und lehnte die Stirn gegen Gracies warmen Bauch. »Ich bin
keine Aristokratin, Braddon. Ich bin nur die Tochter eines einfachen
Pferdehändlers.«
Nun konnte er den
Sieg regelrecht riechen. »Seit wann zitieren einfache Pferdezüchter Rousseau
und Diderot?«, fragte er spöttisch. »Dein Vater besitzt mehr Bücher als Sättel!«
Madeleine hob den
Kopf und blickte ihm direkt in die Augen. »Ich bin gebildet und ich kann lesen.
Das macht mich aber noch lange nicht zu einer Dame. Was verstehe ich vom Tanzen
und all den anderen Dingen, die Damen tun? Ich kann ein Vorderbein schienen,
aber ich weiß nicht einmal, wie man stickt!«
Braddon runzelte
finster die Stirn, duckte sich unter Gracies Hals hindurch und quetschte sich
in das hintere Ende der Box neben Madeleine. »Sprich nicht so von dir,
Madeleine! Es steckt mehr von einer Dame in dir als in den meisten Frauen, die
ich kenne. Die ganze Stickerei ist dummes Zeug. Meine Schwestern können es auch
nicht und meine Mutter liegt ihnen deshalb unentwegt in den Ohren. Keine von
ihnen hat gelernt, auf dem Spinett oder der Harfe zu spielen, und Gott weiß,
dass sie nicht singen können. All das macht noch lange keine Dame aus.«
Madeleine blickte
ihn flehend an. »Du verstehst das einfach nicht, Braddon. Was ist mit meinen
Kleidern? Ich habe nicht die richtige Garderobe, und Lady Sophie ist so
elegant.« Sie hatte über Sophie in der Morning Post gelesen, die immer
genau beschrieb, wo sie war, mit wem und manchmal auch, was sie getragen hatte.
Die bloße Vorstellung, Lady Sophie zu begegnen oder gar
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