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02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren

Titel: 02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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dir das Laufen Schmerzen bereitet, dennoch: So geht es nicht. Wir müssen einen anderen Weg finden, um die Waren in die Stadt zu schaffen.“
    „Aber es macht Jo nichts aus. Er tut das gern“, wagte ich leise zu widersprechen.
    „Du weißt, dass es darum nicht geht“, stellte sie fest.
    Damit fiel mein wöchentlicher Ausflug zum Markt ganz weg. Stattdessen tauchten eines Tages Lastwagen auf, die unsere Erträge abholten. Der Samstag, der Höhepunkt meiner Woche, war mit einem Mal zu einem gewöhnlichen Wochentag geworden. Plötzlich war es in meinen Augen sinnlos, darauf hinzuarbeiten und Madonnen zu schnitzen. Schließlich durfte sie nicht mehr verkaufen. Um all das hatte ich mich selbst gebracht, weil ich nicht so laufen konnte wie andere.
    Während der sonntäglichen Gottesdienste fand ich mich betend vor der weißen Madonna und flehte sie an, aus mir ein Mädchen zu machen wie alle anderen.
    Ein Mädchen, das arbeiten konnte und nützlich sein durfte. Doch die Madonna erfüllte meinen Wunsch nicht. Er war zu groß.
    Die Braut im Brunnen

    Als wieder einmal ein Lastwagen die staubige Straße zu uns herauffuhr, glaubte ich, die Ernte würde wie immer in die Stadt gebracht werden. Doch dieser Besuch galt Jem. Der Mann, der gekommen war, wollte Mama Bisis Tochter abholen, um sie zu heiraten. Meine Schwester war damals mit 17 bereits in dem Alter, in dem Afrikanerinnen für gewöhnlich Kinder bekommen. Allerdings hatte niemand ihr oder ihrer Mutter Bisi gesagt, dass Papa David für sie einen Mann ausgesucht hatte! Papa Sunday fuhr zwar mit einem Mercedes-Laster vor, der ihn als wichtiges Familienoberhaupt auswies, aber er war gewiss schon 50
    Jahre alt, dick und einen halben Kopf kleiner als Jem.
    „Ich will nicht so einen alten Mann heiraten!“, schrie Jem, kaum dass sie ihren Bräutigam gesehen hatte. Dann drehte sie sich auf dem Absatz herum, rannte davon und versteckte sich. Alle wurden dazu aufgefordert, sie zu suchen. Doch ohne Erfolg. Jem war schon zwei Tage lang verschwunden, als ich sie zufällig in einem stillgelegten Brunnenschacht entdeckte. Wie sie da unten hockte, musste ich an unsere Rapunzel-Spiele auf der Außentreppe zwischen den Stockwerken in unserem Haremhaus denken. Sie wollte immer gerettet werden, allerdings nicht von mir.. Unser Verhältnis war seit ihrer Hänselei wegen meines Beins nicht das beste gewesen. Auf der Farm hielt sie sich im Gegensatz zu Efe meistens von mir fern und verbrachte die Zeit mit den Erntehelferinnen, die in ihrem Alter waren.
    Aber jetzt war sie verzweifelt und ich bedauerte sie aufrichtig. Ich fand es nicht fair, dass sie mit einem Mann verheiratet
    werden sollte, der dreimal so alt war wie sie selbst. Also kehrte ich zurück zum Haus und brachte ihr heimlich mein Essen, ohne selbst ihre Schwester Efe einzuweihen.
    Aus der Tiefe ihres Verlieses blickte sie mit glühenden Augen zu mir hoch: „Tut mir Leid, Choga, dass ich dich so schlecht behandelt habe.“
    Ratlos hob ich die Schultern. „Du kannst doch nicht für immer da drinnen bleiben“, sagte ich.
    „Lieber hocke ich hier im Brunnen, als diesen Kerl zu heiraten. Irgendwann wird der Mann schon wieder wegfahren. Solange du mich nicht verhungern lässt, werde ich es schon aushalten.“
    Aber die Sache ging anders weiter, als Jem und ich dachten: Der Bräutigam fuhr zurück in die Stadt, rief Papa David an und berichtete ihm von seinem Pech. Mit einem zufriedenen Gesicht stieg er bei seiner Rückkehr auf die Farm aus dem großen Auto. Ich beeilte mich, in die Nähe von Mutter, Mama Bisi und Papa Sunday zu kommen, um das Gespräch belauschen zu können.
    „Papa David ist ein weiser Mann“, tönte Papa Sunday. „Er sagt, Efe ist ebenfalls in dem Alter, in dem sie heiraten sollte.“
    „Das hat Papa David gesagt?“, fragte meine Mutter so leise, dass ich sie kaum verstehen konnte.
    „Sie ist erst vor wenigen Monaten 15 Jahre alt geworden“, stellte ihre Mutter fest. In Mama Bisis Stimme lag ein fast flehender Ton, mit dem sie den Bräutigam um Einsicht zu bitten schien.

    „Efe, komm einmal her!“, rief Papa Sunday im Befehlston quer über den Hof.
    Meine Halbschwester beschäftigte sich nahe der Scheune gerade mit ihrem Lieblingsspiel: Sie warf Steine in einen Blechtopf, dessen Boden durchgerostet war. So viele Steine beim Anheben des Topfes hindurchfielen, so viele Kinder würde sie einmal bekommen. An diesem Nachmittag musste Efe ihr Spiel unterbrechen, denn ihr Leben als Frau sollte

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