02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
beginnen.
Papa Sunday begutachtete seine künftige Frau wohlwollend. „Du bist ein hübsches Kind“, stellte er anerkennend fest. Efe blickte beschämt auf den Boden. „Ich stimme Papa Davids Vorschlag zu!“, verkündete er dann. „Dein Vater sagt, ich soll dich auf der Stelle mitnehmen.“
„Wohin?“, fragte das Mädchen überrascht.
„Du wirst Papa Sundays Frau“, sagte Mama Bisi so leise, dass es einem Flüstern glich.
„Aber Jem ..“, begann Efe, brach ab und sah in die verstei-nerten Gesichter von Mutter und Mama Bisi. Sie hatte verstanden. Dann rannte sie an meinem Versteck vorbei in unser gemeinsames Zimmer. Ich gab meine Deckung auf und eilte ihr nach. Efe lag auf der Schlafmatte und heulte. Ich versuchte, sie zu streicheln und zu trösten, redete aber nur irgendeinen Unsinn.
Indem ich Jem beschützt hatte, trieb ich meine Schwester, [ an der ich wirklich hing, in die Arme dieses alten Mannes und sorgte so unwillentlich dafür, dass sie in die Fußstapfen von Jem treten musste.
Ich stieß das Fenster auf: „Lauf davon, Efe, schnell. Dann nimmt er dich nicht mit!“
Sie drehte sich um und sah mich mit verweintem Gesicht an: I
„Das geht nicht, Choga. Sie finden mich ja doch.“ Schweigend begann sie ihre wenigen Habseligkeiten und ihre beiden Kleider in eine Pappschachtel zu legen.
Wir umarmten uns, dann ging sie aus dem Zimmer.
Damit sich das Unglück nicht wiederholen konnte, wurde Efe unverzüglich ins Auto geladen. Sie und ihr Bräutigam bekamen noch Yamswurzeln, Mais und Saatgut mit und fuhren davon. Nach Kaduna, zu jener Familie, der Papa Sunday vorstand.
Mama Bisi war furchtbar verärgert über ihre Tochter Jem, die sie derart blamiert hatte. Ausgerechnet meine Lieblingsmama, aus deren Mund ich noch nie ein böses Wort gehört hatte, schäumte vor Wut. Mein alter Lehrer Okereke erklärte uns, dass es normal sei, Mädchen auf diese Weise zu verheiraten.
Ich ging zu meiner Mutter und fragte, ob ich auch eines Tages einfach abgeholt würde.
„Dein Vater wird dir einen Mann aussuchen, wenn es so weit ist“, antwortete Mutter.
„Kann ich ihn denn nicht wenigstens vorher kennen lernen?“, wollte ich wissen.
„Die Liebe zwischen Mann und Frau kommt mit der Zeit“, beruhigte mich Mutter. Schließlich hatten wir alle gelernt, dass eine Ehe geschlossen wird, um Kinder zu haben. Jems Verhalten galt demnach als selbstsüchtig und eitel. Nicht das Mädchen hatte sich einen Bräutigam auszusuchen, sondern der Vater hatte darauf zu achten, dass seine Tochter einen Mann bekam, der sie gut versorgte und schätzte, damit die gemeinsamen Kinder im Schutz der Familie aufwachsen konnten. Das war der Sinn einer Ehe. Indem ich zu Jem hielt, widersetzte ich mich ebenfalls dem Willen meines Vaters, der im Interesse meiner Schwester handelte.
Mutter ahnte wohl von meiner Mitwisserschaft und sah mich scharf an: „Du weißt doch, wo Jem ist?“
Ich durfte nicht lügen und gestand. „Was wird mit ihr geschehen?“, fragte ich dann.
Mutter nahm meine Hände in ihre. „Ich werde sehen, was ich für Jem tun kann, Choga Regina. Aber es kann sein, dass Papa David sehr böse wird.“
„Wird er sie fortschicken?“
„Eine Tochter muss ihrem Vater gehorchen. Das Wort eines Mannes gilt nichts mehr, wenn sich ihm die eigenen Töchter widersetzen.“ Sie musste mir nicht sagen, dass ich mich so niemals verhalten durfte.
Mama Bisi ahnte, dass Jems Benehmen schlimme Folgen haben würde.
Vielleicht wusste sie es auch aus ihrem verbotenen Orakel. Sie nahm mich beiseite: „Lauf zu Jem und sag ihr, dass sie sofort zurückkommen und Buße tun muss.“
„Ist er weg?“, fragte meine Schwester, als ich gegen Abend an ihrem Versteck erschien.
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„Er hat Efe mitgenommen. Sie wird jetzt seine Frau.“ Ich erzählte ihr die Geschichte.
„Das ist ja noch mal gut gegangen!“, platzte Jem hervor. „Und jetzt hilf mir raus.“
Ich starrte zu ihr herunter und fühlte eine mir bisher unbekannte Regung: Hass.
„Tut Efe dir denn gar kein bisschen Leid?“, fragte ich schließlich entsetzt über ihre Gleichgültigkeit.
„Papa David hat doch so entschieden. Also war es Gottes Wille, dass Efe Papa Sunday heiratet“, meinte sie.
Ich war sprachlos. Wozu man Gott nicht alles einspannen konnte! Es kam nur auf die Sichtweise an. Jem blieb auf Mutters und Mama Bisis Geheiß tagelang in der Kirche und betete um Vergebung für ihr Verhalten, das sie meiner Überzeugung nach nie wirklich bereute. Als ich abends
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