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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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auseinandergehen sollten. Und eben das sagte er ihr, ehe Vernunft oder Stolz oder Form ihn daran hindern konnten.
    »Ich kann es nicht ertragen, daß du so von mir fortgehst, Helen.«
    Sie stand in der Sonne. Schräg fiel das Licht auf ihr Haar und verlieh ihm die Farbe edlen alten Cognacs. Einen Moment lang schimmerte ein unbedeutbares Gefühl in ihren schönen dunklen Augen. Dann erlosch es.
    »Ich muß gehen«, sagte sie leise, ging an ihm vorbei und trat ins Haus.
    Es ist wie ein Tod, dachte Lynley. Aber ohne ein richtiges Begräbnis, ohne Trauerzeit, eine Klage ohne Ende.

    Superintendent Malcolm Webberly legte den Hörer auf.
    »Das war Havers«, sagte er. Mit einer charakteristischen Bewegung fuhr er sich mit der rechten Hand durch das schüttere, sandblonde Haar und zupfte recht grob daran, als wolle er die beginnende Kahlheit vorantreiben.
    Chief Superintendent Sir David Hillier, der am Fenster stand und ruhig auf die zackige Häusersilhouette hinausblickte, rührte sich nicht. Er war, wie immer, tadellos gekleidet, und seine Haltung verriet den Mann, der mit dem Erfolg umzugehen weiß und sich darauf versteht, in den trügerischen Gewässern politischer Machtspiele zu navigieren. »Und?« fragte er.
    »Sie sind auf dem Rückweg.«
    »Das ist alles?«
    »Nein. Havers sagte, sie verfolgen eine Spur nach Hampstead. Offenbar hat die Sinclair dort an einem Buch gearbeitet. Sie wohnte dort.«
    Hillier drehte langsam den Kopf. Die Sonne stand hinter ihm, und sein Gesicht war im Schatten. »An einem Buch? Neben dem Theaterstück?«
    »Offenbar. Havers erwähnte es nur kurz. Aber ich hatte den Eindruck, daß Lynley da etwas aufgefallen ist, dem er auf den Grund gehen möchte.«
    Hillier lächelte kühl. »Gott sei gedankt für Inspector Lynleys kreative Phantasie.«
    »Er ist mein bester Mann, David«, sagte Webberly bitter.
    »Und er wird natürlich die Anweisungen befolgen. Wie du.« Hillier wandte sich wieder der Betrachtung der Stadt zu.

10
    Es war halb drei, als Lynley und Barbara Havers endlich das kleine Eckhaus erreichten, in dem Joy Sinclair gewohnt hatte, ein weißer Backsteinbau im vornehmen Londoner Stadtteil Hampstead. Das Erkerfenster mit den dünnen weißen Vorhängen ging auf einen kleinen Vorgarten hinaus, in dem Rosen- und Jasminbüsche wuchsen. Aus zwei Blumenkästen rankte sich Efeu über die Fassade des Hauses, besonders üppig bei der Haustür, deren schmales Vordach unter dem Behang bronzefarben gemaserter Blätter fast nicht zu sehen war. Die Front des Hauses blickte zum Flask Walk hinaus, doch der Eingang zum Garten befand sich in der Back Lane, einer schmalen, mit Kopfstein gepflasterten Straße, die zur belebten Heath Street hinaufführte; vom Verkehr jedoch war hier unten kaum etwas zu hören.
    Lynley öffnete die schmiedeeiserne Pforte und ging, gefolgt von Barbara Havers, auf dem mit Steinplatten belegten Weg zum Haus. Es war ein windstiller Tag, aber sehr kalt. Fahles Sonnenlicht glänzte auf der Messinglampe links der Tür und der polierten Briefkastenklappe in ihrer Mitte.
    »Nicht übel«, bemerkte Barbara mit grollender Bewunderung. »Von der antiken Lampe bis zum dicken BMW alles da.« Sie wies mit dem Daumen auf das Haus. »Ganz billig dürfte der Spaß nicht gewesen sein.«
    »Nach dem, was Davies-Jones über ihr Testament sagte, habe ich den Eindruck, sie konnte es sich leisten«, meinte Lynley. Er sperrte die Tür auf und ließ Barbara den Vortritt.
    Das Vestibül war klein, mit Marmorboden und ganz ohne Mobiliar. Auf dem Boden unter dem Briefkasten lag die Post mehrerer Tage: fünf Reklamesendungen, eine Stromrechnung, elf an Joy Sinclair gerichtete Briefe von Bewunderern ode!Kritikern, die an den Verlag gekommen und an sie weitergesandt worden waren, eine Telefonrechnung, mehrere kleine Umschläge, die wohl Einladungen enthielten, einige Briefe, die offensichtlich Geschäftliches enthielten. Lynley reichte die ganze Sammlung an Barbara weiter.
    »Sehen Sie sie durch, Sergeant.«
    Sie nahm sie, dann gingen sie durch eine Milchglastür in einen Flur, auf dessen linker Seite zwei Türen waren, während rechts eine Treppe zum oberen Stockwerk hinaufführte. Am Ende des Korridors war ein weiterer Raum, jetzt schon von den Schatten des Winternachmittags verdunkelt, vermutlich die Küche.
    Lynley und Barbara sahen sich zuerst das Wohnzimmer an. Der Raum lag in mildem Sonnenlicht, das in drei breiten Bahnen schräg durch das Erkerfenster auf den rehbraunen, Geruch und Aussehen nach

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