02 - komplett
Tinte bereits verblasst war. Die Schrift darauf war verschnörkelt und temperamentvoll und schwer zu lesen. Hester beugte sich so tief hinunter, wie sie konnte, ohne verdächtig zu wirken, und schaffte es schließlich, einzelne Worte auszumachen: Moon House ... kostbar ... solche Furcht ... wir müssen es verstecken ...
„Miss Lattimer?“ Bei Sir Lewis’ Worten hätte Hester fast ihr Retikül fallen gelassen vor Schreck.
„Ach, verzeihen Sie, sprachen Sie mit mir? Ich dachte, ein Knopf an meinen Stiefeletten hätte sich gelöst. Sind Sie so weit, Lord Buckland? Du liebe Güte, so viele Bücher! Damit werden Sie doch sicher Ihre Neugier befriedigen können, Mylord.“ Sie erhob sich, während sie plapperte. „Bitte richten Sie der armen Miss Nugent meine herzlichsten Grüße aus. Ich hoffe so sehr, sie fühlt sich bald wieder besser. Nun müssen wir aber gehen. Wir haben Ihre Gastfreundschaft schon viel zu sehr in Anspruch genommen.“
Sir Lewis begleitete sie bis zu den Ställen, beglückwünschte Guy zu seinen vorzüglichen Pferden und verabschiedete sich aufs freundlichste.
„Er war ja sehr entschlossen, uns von seinem Grundstück zu komplimentieren“, meinte Guy allerdings, während er Sir Lewis noch zuwinkte.
Statt wieder zum Dorf zurückzufahren, hielt er auf den Buchenwald zu, den sie schweigend durchquerten, bis sie am Ende eine Anhöhe erreichten. Guy lenkte seine Pferde vom Weg herunter und zur ersten einigermaßen trockenen Stelle, wo Weißdornhecken sie vor dem Wind schützten und sich das ganze Tal von Aylesbury unter ihnen ausbreitete.
Guy stieg herunter, warf die Zügel über einen Busch und half Hester vom hohen Sitz.
Dann zog er eine Decke hervor und legte sie Hester um die Schultern. Sie blickte nachdenklich ins Tal hinunter. „Guy, er hatte keinen einzigen Kratzer im Gesicht.“
„Nein, das hat mich auch verwirrt. Ich habe mir den Kopf zerbrochen, um mich daran zu erinnern, wonach der Eindringling gerochen hat, und ich denke, es war kastilische Seife aus Olivenöl.“
„Die recht teuer ist.“ Hester begriff sofort, worauf er hinaus wollte. „Also kann es kein Lakai gewesen sein oder ein hiesiger Gauner, der dafür bezahlt worden war.“
Guy lehnte am Wagen neben ihr. Sie sah ihn an und erlaubte sich zum ersten Mal heute, nur an ihn zu denken. Es war kühl, ihre Zehen waren kalt, aber innerlich schwelgte sie in Gefühlen, die ihr Herz erwärmten – Vertrauen in diesen wunderbaren Mann, Zufriedenheit, bei ihm sein zu dürfen, und wie sie fürchtete, große Sehnsucht nach seinen Küssen.
„Und was haben Sie so scheinbar harmlos auf dem Sofa getan?“, fragte er.
„Ein Kasten mit irgendwelchen Dokumenten stand darunter. Und ein einzelnes Blatt Papier, offenbar ein Brief, lag daneben. Ein alter Brief, denn die Tinte war ganz verblichen.“ Sie versuchte, sich an die Worte zu erinnern, die sie lesen konnte, und teilte sie ihm mit.
„Moon House, kostbar und verstecken“, wiederholte er langsam. „Das bestätigt nur unseren Verdacht, dass es etwas gab, das der Vater der Nugents nicht wusste und die beiden zu spät entdeckten. Und ihre einzige Hoffnung ist, es an sich zu bringen, bevor Sie es finden, oder Sie aus dem Haus zu vergraulen, damit sie es in aller Ruhe durchsuchen können.“
Hester seufzte, plötzlich bedrückt von der ganzen Geschichte. Guy legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie sanft an sich, und sie schmiegte sich an ihn. In diesem Moment brauchte sie den Trost seiner Nähe. „Ich wünschte, ich könnte Sie von hier fortbringen, wo Sie sich entspannen und alles vergessen könnten.“
Hester sah lächelnd zu ihm auf. Bevor sie noch mehr sagen konnte, drehte er sie leicht herum, sodass er vor ihr stand und sie sanft gegen den Wagen drückte. Er war ihr sehr nahe, und sie konnte den Puls an seinem Hals pochen sehen. Langsam entfernte er seine Handschuhe und löste dann die Schleife ihres Hutes. „Guy ...“ Der Hut wurde achtlos auf den Sitz des Wagens geworfen.
„Hm?“ Er verteilte kleine Küsse auf ihre Stirn und dann auf ihre Schläfe und ihren Hals. Am Ende ging er sogar so weit, ein Ohrläppchen sanft zwischen die Zähne zu nehmen.
„Guy, Sie sollten nicht ...“ Hester bog sich ihm unwillkürlich entgegen. Plötzlich war sie atemlos und brachte kein Wort mehr heraus.
„Warum nicht?“, flüsterte er heiser. „Die Sonne scheint, wir sind allein, und das hier ist ein kleines Paradies.“
Hester legte die Hände auf seine Brust, um ihn von
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