02 - Schwarze Küsse
sich über die Stadt, was wohl bedeutete, dass Piper und Jake jetzt bei der Filmpremiere waren.
Der Glamour von Hollywood in San Francisco, dachte sie. Das war zwar nicht ganz Pipers Art, aber Prue wusste, dass ihre Schwester einen Weg finden würde, damit klarzukommen. Sie hoffte aufrichtig, dass sie Spaß haben würde. Piper brauchte wirklich etwas Erholung nach dem Skandal mit dem Gesundheitsamt.
Prue rieb sich die Augen und wandte sich wieder den dicken Nachschlagewerken auf ihrem Tisch zu. Sie konnte sich nicht erinnern, nach einem Tag im Auktionshaus jemals so ausgelaugt gewesen zu sein.
Normalerweise gab die Arbeit ihr Energie - besonders, wenn sie Nachforschungen anstellte, so wie jetzt. Sie liebte es, die Geschichte eines Kunstwerks zu ermitteln, sich vorzustellen, durch welche Hände es gegangen war, und die Orte in Erfahrung zu bringen, an denen es sich befunden hatte.
Sie fand die Beschreibung einer Vase von der Art, die sie gerade katalogisieren wollte, und starrte auf die Buchstaben, bis sie verschwammen und der Raum sich in Schatten aufzulösen begann.
Sie dachte daran, heimzugehen, aber sie fuhr nicht gerne mit dem Wagen, wenn sie so müde war.
Ich mache eine Minute lang die Augen zu, sagte sie zu sich selbst. Ein kleines Nickerchen, dann geht es schon wieder.
Sie spürte, wie sie in das Niemandsland zwischen Schlaf und Wachsein rutschte, wo die Träume in Verkleidung der Wirklichkeit kamen.
Und dann fühlte sie seine Nähe. Es war der Mann, der sie geküsst hatte, das Mitternachtsphantom.
Er ist hier. In diesem Raum, irgendwo um mich herum. Und es ist echt. Ich kann mein Herz schlagen, mein Blut rasen fühlen.
Er trat näher, seine Umrisse wurden klar, aber sein Gesicht war immer noch in Schatten gehüllt.
Sie kämpfte gegen das Gefühl der Enttäuschung an. Sie wollte sein Gesicht sehen. Und dann wurde ihr klar, dass es nicht wirklich wichtig war. Wir haben eine Verbindung, erkannte sie, ein Band, das niemand durchtrennen kann.
»Du gibst mir Leben«, hörte sie ihn flüstern, bevor sein Mund den ihren bedeckte.
Sie hatte das Gefühl, dass er wie ein Magnet war, der sie auf eine Art anzog, die sie nicht beschreiben konnte. Sie wollte ihm nicht widerstehen. Sie spürte einen Energiestrom zwischen ihren Körpern hin- und hertanzen, gebend und nehmend, gebend und nehmend.
Ihr Herz schlug, ihre Schläfen pochten. Ihr Körper brannte vor Verlangen. Sie wollte den Kuss bis in alle Ewigkeit spüren.
Er zog sich zurück. Prue keuchte atemlos und wollte wieder seine Lippen schmecken.
Innerhalb des Traums öffnete sie die Augen. Sie sah seine Hände sich auseinander spreizen, als er ihr eine Halskette mit einem Smaragd-Anhänger entgegenhielt. Sie blinzelte. Es war jenes Collier, das Robert ihr bei Claibornes gezeigt hatte und das er ersteigern wollte. Wie hatte der Fremde es in die Hände bekommen? Warum besaß er es?
Er legte es um ihren Nacken, und der Smaragd lag genau an ihrem Halsansatz.
»Dies ist mein Geschenk an dich«, sagte er. »Trage es im Leben, und dann im Tod.«
Schwer atmend schreckte sie aus dem Tagtraum auf. Sie legte ihre Hand auf den Hals. Kein Collier. Aber sie fühlte eine seltsame, pulsierende Wärme, als hätte das Juwel gerade noch dort ihre Haut berührt.
»Prue, geht es dir gut?«
Von der vertrauten, aber unerwarteten Stimme erschreckt, gab Prue einen leisen Aufschrei von sich.
Robert schaltete die Lampe an ihrem Schreibtisch an, und sein fester Blick musterte sie eindringlich. »Geht es dir gut?«, wiederholte er.
Stirnrunzelnd nickte Prue. »Ja, ich bin nur. eine Minute eingedöst. Keine Ahnung, warum ich das Licht nicht angemacht habe.«
»Du arbeitest zu hart«, sagte Robert leise und stellte eine Flasche auf den Tisch.
»Was ist das?«, fragte sie.
»Der Champagner von der Silvesterparty. Er ist vermutlich mittlerweile schal geworden. Aber ich habe ihn extra für dich gekauft. Ich dachte, du möchtest vielleicht wenigstens die Flasche behalten - als Souvenir.«
Alter, abgestandener Champagner. Konnte ein Geschenk noch unromantischer sein? Besonders, wenn man diese Geste mit den Küssen des Mitternachtsphantoms verglich. Sie wollte in den Traum zurückkehren. Die Anwesenheit Roberts ging ihr gegen den Strich, denn sie verdarb ihr den Genuss des süßen Nachgeschmacks.
»Ich will sie nicht«, sagte sie und konnte sofort die Enttäuschung in seinen Augen sehen.
Warum habe ich das gesagt?, dachte sie, von Gewissensbissen geplagt. Er hat mir doch nur
Weitere Kostenlose Bücher