02 - Von dir kann ich nicht lassen
als
sie angenommen hatte. Sie konnte sich nun tatsächlich nur schwer vorstellen,
dass sie so lange Zeit unerwartet feige gewesen war. Sie hätte niemals auch nur
versucht sein sollen, sich zu verstecken, der Angst nachzugeben vor dem, was
geschehen könnte, wenn keiner der Zeugen 'bereit wäre, die Wahrheit über das zu
berichten, was an jenem Abend in Candleford geschehen war.
Aber
nun überfiel sie die Angst erneut. Sie würden sie fesseln und als Gefangene mit
einer weiblichen Leibwache nach Cornwall zurückschicken. Und dann würde sie
wegen Mordes verurteilt werden. Die Atemluft schien plötzlich kalt.
»Inzwischen«,
sagte Mick Boden, den Blick erneut übel gelaunt auf Jane gerichtet, »werden wir
Mylady an diesen Stuhl binden, damit Sie friedlich speisen können. Ihr
Kammerdiener wird mir helfen.«
Zorn
kam Jane zu Hilfe. Sie sprang auf. »Bleiben Sie, wo Sie sind«, befahl sie dem
Polizisten mit solcher Arroganz, dass er einen Moment im Schritt innehielt.
»Welch ungeheuer barbarischer Vorschlag! Ist das Ihre Vorstellung von Rache?
Ich verliere gerade den letzten Rest an Respekt, den ich Ihnen und Ihrer
Intelligenz gegenüber noch empfand. Ich werde dich aus eigenem, freien Willen nach
Candleford begleiten, Cousin Harold. Ich werde nicht dorthin befördert werden
wie ein gewöhnlicher Schwerverbrechen«
Aber
der Polizist hatte erneut das Stück Seil aus der Tasche genommen, und auch der
Kammerdiener tat, nach einem besorgten Blick auf den Earl, der knapp nickte,
einige Schritte auf sie zu.
»Fesseln
Sie sie«, sagte der Earl, bevor er sich abwandte und die Papiere auf seinem
Schreibtisch zusammenschob.
»Gut.«
Jane knirschte mit den Zähnen. »Du willst den Kampf, du bekommst den Kampf.«
Aber
dieses Mal konnte sie nicht schreien. Es wäre zu leicht für den Earl,
eventuelle Retter davon zu überzeugen, dass sie eine Mörderin wäre, die sich
der Verhaftung widersetzte. Und sie würde den Kampf mit Sicherheit verlieren
sie müsste ihre Kräfte mit zwei Männern messen, wobei ihr Cousin ihnen auch
noch seine Kraft zur Verfügung stellen könnte, wenn es nötig würde. Sie würde
sich innerhalb weniger Minuten mit gefesselten Händen und Füßen und
wahrscheinlich auch geknebelt wieder auf dem Stuhl befinden. Nun, sie würde
aber nicht untergehen, ohne jedem ihrer Gegner einige blaue Flecke und Kratzer
zugefügt zu haben. Alle Angst schwand und wurde von seltsamer Heiterkeit
ersetzt.
Sie
griffen gemeinsam an, kamen um beide Seiten des Stuhls herum und wollten sie
packen. Sie stieß mit beiden Fäusten um sich, und dann auch mit beiden Füßen.
Sie drehte und wendete sich, stieß mit den Ellbogen zu und biss sogar in eine
Hand, die ihrem Mund unvorsichtig nahe kam. Und ohne auch nur darüber
nachzudenken, benutzte sie die Sprache, die ihr während der letzten wenigen
Wochen vertraut geworden war.
»Nehmen
Sie Ihre verdammten Hände von mir und scheren Sie sich zum Teufel«, sagte
sie gerade, als eine ruhige Stimme den Lärm des Handgemenges durchdrang.
»Du
liebe Güte«, sagte die Stimme, »störe ich bei Spaß und Spiel?«
Zu
diesem Zeitpunkt hielt Parkins gerade einen ihrer Arme fest, während der
Polizist den anderen Arm schmerzhaft nach hinten verdreht hatte. Jane, die nach
Atem rang, ihre Sicht durch gelöstes Haar beeinträchtigt, starrte ihren Retter,
der am Türrahmen lehnte, das Lorgnon am Auge, wütend an.
»Geh
weg«, sagte sie. »Ich habe für den Rest meines Lebens genug von Männern. Ich
brauche dich nicht. Ich komme sehr gut allein zurecht.«
»Wie
ich sehe.« Der Duke of Tresham senkte das Lorgnon. »Aber solch grässliche
Sprache, Jane. Wo hast du sie dir nur angeeignet? Dürfte ich fragen, Durbury,
warum jeweils eine männliche Person die, wie ich fürchte, beide keine
Gentlemen sind an Lady Sara Illingsworths Armen hängt? Es scheint eine
seltsame, unfaire Art Spiel zu sein.«
Jane
erblickte Mrs Jacobs vor der Tür, die vor Empörung zu bersten schien. Und Jane
selbst war nicht weniger empört. Warum standen zwei Männer, die sie gerade vor
einer Minute noch brutal überwältigen wollten, jetzt regungslos und demütig da,
als erwarteten sie Anweisungen von diesem hochmütigen Gentleman?
»Guten
Tag, Tresham«, sagte der Earl forsch. »Cousine Sara und ich werden noch vor
Einbruch der Dunkelheit nach Candleford aufbrechen. Ihre Anwesenheit hier ist
unnötig.«
»Ich
bin aus eigenem, freien Willen hierher gekommen«, sagte Jane. »Sie sind in
keiner Weise mehr für mich
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