02 - Von dir kann ich nicht lassen
bewundernswertes Ehrgefühl. Er hatte es vorgezogen, Lord Oliver bei
einem Duell gegenüberzutreten, anstatt Lady Oliver eine Lügnerin zu nennen.
Jane
seufzte. Ah, ja, sie mochte ihn nur zu gern. Und er besaß natürlich diese
künstlerische, feinfühlige Seite, derer sie in jener Nacht im Musikzimmer
gewahr geworden war. Und Intelligenz. Und Sinn für Humor. All die vielen
faszinierenden Facetten seines Charakters, die er sorgfältig vor der Welt
verborgen hielt.
Und da
war ihr gegenseitiges Verlangen nacheinander. Jane zweifelte nicht daran, dass
es tatsächlich gegenseitig bestand. Wenn sie für ihn nur irgendeine
Frau, irgendeine zukünftige Mätresse gewesen wäre, hätte er sie fortgeschickt,
sobald sie das Thema Vertrag angesprochen hatte. Aber sie musste sich darüber
im Klaren sein , solange ihre Liaison dauerte , dass er nur
Leidenschaft empfand. Sexuelle Leidenschaft. Sie durfte die Gefühle des Duke of
Tresham niemals als Liebe missverstehen.
Es
würde nicht leicht werden, seine Mätresse zu sein.
Jane
schlief auf dem Sofa ein und träumte von Charles. Ihrem engsten Freund. Ihrem
Verehrer. Er war wie jemand aus einem anderen Leben. Er saß mit ihr in der
Rosenlaube in Candleford und erzählte ihr von dem Baby seiner Schwester und
beschrieb ihr, wie sie ihr eigenes Kinderzimmer einrichten würden
sobald wie möglich, nachdem ihr der fünfundzwanzigste Geburtstag die Freiheit
gewährte zu heiraten, wen immer sie wollte.
Sie
erwachte mit feuchten Wangen. Sie hatte nach ihrer Flucht von zu Hause bewusst
nicht mehr an Charles gedacht. Es war ihr nur zu gut gelungen. Warum hatte sie
nicht daran gedacht, jetzt, wo sie das Geld zum Reisen hatte, zu ihm zu gehen?
Weilte er noch immer bei seiner Schwester in Somersetshire? Oder war er nach
Cornwall zurückgekehrt? Sie hätte eine Möglichkeit finden können, ihn zu
erreichen, ohne ergriffen zu werden. Er hätte gewiss gewusst, was zu tun wäre,
wie er sie beschützen könnte, wie er sie, wenn nötig, verstecken könnte. Aber
am wichtigsten von allem war, dass er ihre Geschichte glauben würde. Er wusste,
wie verzweifelt der Earl of Durbury darauf beharrt hatte, dass sie seinen Sohn
heiraten sollte. Er wusste, wie verachtenswert Sidney sein konnte, besonders
wenn er getrunken hatte.
Sie
könnte es natürlich noch immer tun. Sie war gestern, bevor sie das Dudleyhaus
verließ, ausbezahlt worden. Sie war noch nicht die Mätresse des Duke of
Tresham. Sie könnte gehen, bevor er zurückkam, und das Unabwendbare vermeiden,
ihre Tugend aufzugeben.
Allein
die Vorstellung eines solchen Schicksals hätte vor nur wenigen Wochen gewiss
noch einen Schwächeanfall bewirkt. Nun, mit überraschender Verspätung, war ihr
eine anständige Alternative eingefallen.
Aber
das Problem war, dass sie Charles nicht liebte. Nicht so, wie eine Frau ihren
Ehemann lieben sollte. Nicht wie Mama Papa geliebt hatte. Sie hatte es
natürlich immer gewusst. Aber sie hatte Charles immer lieben wollen, weil
sie ihn mochte, und weil er sie liebte.
Wenn sie
jetzt zu ihm ginge, wenn er sie irgendwie aus der Verstrickung, in der sie sich
befand, befreite, wäre sie ein Leben lang an ihn gebunden. Noch vor wenigen
Wochen hätte sie nichts dagegen einzuwenden gehabt. Freundschaft und Zuneigung
hätten genügt.
Jetzt
nicht mehr.
War das
Leben als Mätresse des Duke der achtbaren Ehe mit Charles also vorzuziehen?
Diese
Frage konnte Jane nicht zu ihrer Zufriedenheit beantworten, bevor der Duke am
nächsten Morgen eintraf. Es war eine Frage, deren Antwort sie jedoch einigermaßen
widerwillig erkannte, nachdem sie sein Klopfen gehört und die Wohnzimmertür
geöffnet hatte, um ihn in die Eingangshalle treten und Mr. Jacobs Hut,
Handschuhe und Spazierstock übergeben zu sehen. Er brachte Energie und
Ruhelosigkeit und reine Männlichkeit mit sich und Jane erkannte, dass
sie ihn vermisst hatte.
»Jane.«
Er schritt auf sie zu, und sie zogen sich zusammen ins Wohnzimmer zurück. »Er
hat gesiegt. Um kaum eine Pferdenasenlänge. Er lag in der letzten Biegung eine
volle Länge zurück, aber dann beschleunigte er und überrumpelte Berriwether.
Sie preschten fast gleichzeitig in Brighton ein. Aber Ferdinand hat gesiegt,
und drei Viertel der Mitglieder von White's trauern.«
»Dann
ist ihm nichts passiert?«, fragte sie. »Das freut mich.« Sie hätte vielleicht
erneut bemerken können, wie töricht solche Rennen waren, aber er wirkte so
zufrieden mit sich. Und sie war wirklich froh. Lord Ferdinand Dudley
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