0207 - Der Mann, der nicht sterben konnte
einen Taschenlampenstrahl, sondern durch das normale Licht. Suko hatte den Stecker wieder in die Dose geschoben. Er selbst stand halb gebückt, hielt die Waffe schußbereit und schwenkte die Mündung, wobei sie auf den zweiten Russen wies, der neben der Gangwand und nicht weit von der Treppe entfernt flach am Boden lag und nur die Hand mit seiner Pistole erhoben hatte.
»Laß es!« zischte ich.
So abgebrüht war der Mann auch nicht. Er zuckte zusammen, als er meine Stimme vernahm, die ausgerechnet noch in seinem Rücken aufgeklungen war.
Suko trat ihm die Armeepistole aus den Fingern. Sie rutschte über den Kellerboden und blieb dicht neben dem zweiten Russsen liegen, dessen Gesichtshaut schon die wächserne Blässe des Todes angenommen hatte. Seine Augen starrten blicklos gegen die Decke.
Die rechte Gesichtshälfte war zerstört. Dort hatte ihn das Geschoß getroffen.
»Tut mir leid«, sagte Suko. »Ich hätte nicht zielen können. Es ging einfach alles zu schnell.«
Mein Partner hatte den Mann also erwischt.
Wir befahlen dem Russen, sich zu erheben. Er stützte sich dabei an der Wand ab, und als er stand, da hob er die Hände in Schulterhöhe. Der Mann kannte die Regeln.
Suko bedrohte ihn von vorn mit der Beretta, während ich an ihn herantrat und nach Waffen abklopfte. Außer seiner Pistole besaß er nur noch ein Taschenmesser aus bestem Schweizer Stahl.
An der Schulter drehte ich den Mann herum und drückte ihn mit dem Rücken gegen die Wand.
Die Lippen des Kerls waren zusammengepreßt. In seinen Augen lag ein kalter, aber auch entschlossener Ausdruck. Ich kannte diese Leute. Es waren knallharte Burschen vom KGB ausgebildet, der hier sagte so leicht nichts.
Trotzdem versuchte ich es. »Wer ist noch alles oben?«
»Er.«
»Was heißt das?«
Der Russe gestattete sich ein schmales Grinsen. Für mich ein Zeichen, daß er sich sicher fühlte. »Gegen ihn kommt ihr nicht an. Er ist der Mann, der nicht sterben kann. Ihr könnt ihn nicht erschießen. Niemand kann ihn töten.«
»Ist er allein?«
»Nein.«
»Wer ist noch bei ihm?«
Da lachte der Russe. »Ich weiß nicht, ob sie noch leben. Da gibt es eine Frau und einen Mann.«
»Beschreibe die Frau.«
Das tat er. Suko und mir fuhr der Schreck durch die Glieder, denn der Russe hatte uns Lady Sarah beschrieben. Um sie handelte es sich. Der Mann war der Earl of Rankin.
Und beide befanden sich in der Gewalt des unheimlichen Mörders, der ohne Rücksicht auf Verluste vorging.
»Ihr könnt nicht gewinnen«, sagte der Agent wieder. »Die anderen sind zu stark.«
»Gibt es noch mehrere?«
»Vielleicht.«
Ich glaubte ihm nicht. Er versuchte uns zu bluffen.
»John!« Sukos Stimme klang zwar leise, allerdings auch warnend.
Ich warf ihm einen raschen Blick zu und bemerkte, wie mein Partner bis zur Treppe schlich und hochschaute. Er mußte dort etwas bemerkt haben. Da ich mich nicht mehr voll auf den Russen konzentrierte, versuchte er es. Schattenhaft sah ich seinen Arm. Er wollte mir die Waffe aus der Hand schlagen.
Ich sprang zurück, der Hieb verfehlte mich, und ich donnerte dem Agenten meine Linke gegen die Brustgrube. Der Treffer warf ihn wieder zurück. Bevor die Wand ihn stoppen konnte, hieb ich abermals zu. Diesmal mit dem Waffenlauf. An der Stirn wurde er getroffen. Die Haut platzte auf, ein Blutrinnsal sickerte aus der Wunde, dann gaben die Beine des Russen nach. Der Mann war bereits bewußtlos, kaum daß er den Boden berührt hatte.
Um ihn konnten wir uns nicht kümmern, denn die andere Gefahr mußte von der Treppe her kommen.
Suko stand davor und schaute hoch. Das Licht fiel auch die Stufen hoch. Sie waren ziemlich breit, bestanden aus Stein, und etwa die ersten sechs wurden vom Lichtschein erfaßt. Die anderen lagen im Dunkeln.
Schritte auf der Treppe. Da kam jemand, der Chinese hatte sich nicht verhört.
Wir standen nicht direkt vor der Treppe, sonderen rechts und links davon, damit wir auch in Deckung springen konnten, falls uns jemand angriff.
Da die Treppe gebogen war, konnten wir den Ankömmling noch nicht erkennen. Aber wir sahen schon seinen Schatten, wie er über die Wand wanderte.
Dann kam er.
Ja, er war es. Ich hatte ihm schon einmal Auge in Auge gegenüberstanden und sogar auf ihn geschossen.
Rankin. Fjodor Rankin, der Mann, den niemand töten konnte.
Jetzt trug er keine Pelzmütze. Wir sahen sein weißes Haar, das an den Seiten des Kopfes wuchs. In der Schädelmitte waren die Haare ausgefallen. Dort schimmerte die Haut
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