0218 - Grauen in der blauen Stadt
irgendwo hin. Nicole wand sich im Griff zweier Skelette, die dunkelblau waren und deren Augenhöhlen schwach glühten. Davies lag bewußtlos und blutend am Boden. Die Zwillinge knieten, niedergehalten von der Kraft der Skelette, deren Hände ihre Köpfe umspannten. Zamorra ahnte die Bedeutung dieses Griffs. Die telepathischen Fähigkeiten der beiden Mädchen wurde geblockt…
»Aus, verdammt«, murmelte er. »Wir Anfänger… warum hat das Amulett sich wieder nur mit halber Kraft gewehrt?«
Es kam keine Antwort. Er hatte sie auch nicht erwartet.
Aber er hatte auch nicht erwartet, was dann geschah.
Ein weißes Gespenst entstand direkt vor ihm…
***
Es war kein Gespenst.
Es war ein Wesen im weißen Overall, das aus der Bewegung heraus vor Zamorra erschien und diese Bewegung jetzt erst stoppte. Der zeitlose Sprung, wie ihn die Silbermond-Druiden beherrschten…
Und schockgrün glühten die Augen des Skeletts in dem weißen Anzug, dessen Kapuzenhelm gefaltet auf dem Rücken lag.
Zamorras Gedanken überschlugen sich.
Also doch keine dämonischen Skelette? Sie vertraten doch das Gute, die Weiße Magie? Bei Silbermond-Druiden konnte es da keinen Zweifel geben!
Druiden hatte es auf der Erde schon seit Ur-Zeiten gegeben, und die meisten hatten sich finsteren Riten verschrieben. Selbst Cäsar berichtete von Menschenopfern, die keltische Druiden im alten England durchgeführt haben sollten.
Das waren jene, die zu den sogenannten »schwarzen Druiden« zählten.
Die vom Silbermond, wie Gryf ap Llandrysgryf oder Teri Rheken… oder Kerr… sie zählten nicht dazu. Sie waren immer Vertreter der Weißen Magie gewesen.
Aber… gab es nicht eine furchtbare Ausnahme? War nicht selbst die Tochter des mächtigen Zauberers, Merlins, entartet und stand jetzt auf der Seite der Höllenmächte? Warum sollte sich ein ähnlicher Vorgang nicht auch schon einmal in ferner Vergangenheit abgespielt haben?
Zamorra erwiderte den Blick des Knochenmannes. Nur sie beide zählten jetzt noch, alle anderen Personen waren allenfalls noch Randfiguren, vielleicht nur Dekoration.
Der Meister des Übersinnlichen und der Skelett-Druide.
Und da sprach der Druide. Magie machte seine Worte hörbar, obgleich er keine Stimmbänder besaß.
»Nun findest du dein Ende, Dämon«, sagte der Knöcherne!
***
Es traf Zamorra wie ein Schlag. Jedes Wort hämmerte auf ihn ein. Also doch! Der Knöcherne war von sich überzeugt, auf der weißen Seite zu stehen! Und doch mußte etwas mit ihm geschehen sein, das ihn verändert hatte - oder war es Zamorra, der sich verändert hatte?
»Ich bin kein Dämon«, sagte er. »Wenn du nur ein Fünkchen Verstand besäßest, müßtest du es erkennen! Ich bin ein weißer Magier wie du!«
Der Knochen-Druide lachte scheppernd.
»Mich kannst du nicht täuschen«, sagte er. »Ich spüre doch deine dämonische Aura! Aber dein Ende ist gekommen, endgültig. Das Spiegelschwert wird dich richten.«
Jetzt erst fiel Zamorras Blick auf die Waffe, die der Knochen-Druide in der Hand hielt. Es war ein langes Schwert, aber keine Henkerswaffe, weil sie vom zugespitzt und nicht abgeflacht war. Das deutete auf einen Zweikampf hin.
Zamorra schüttelte den Kopf. »Ich bin kein Dämon«, wiederholte er. »Ich kann keiner sein, denn sonst wäre ich nicht in der Lage, das Amulett zu ertragen und anzuwenden, das ihr mir entrissen habt.«
Der Druide tat einen herrischen Wink. Ein anderer Knochenmann hob die Silberscheibe auf und trug sie zu ihm. Deutlich war zu sehen, daß der Weißgekleidete stutzte.
»Merlins Stern«, stieß er hervor. »Das Amulett der Macht!« Sein Kopf fuhr herum, die flammendgrünen Augen wollten Zamorra mit ihrem Feuer verzehren. »Du mußt es dem Auserwählten gestohlen haben!«
Zamorra holte tief Luft. Durch viele Kulturkreise, selbst in anderen Dimensionen, bei den silberhäutigen Chibb, gab es die Legende vom Auserwählten und dem Medaillon der Macht. Und immer war es Zamorra, der damit in Verbindung gebracht wurde, diesmal aber zum ersten Mal in gegenteiliger Form.
»Ich bin der Auserwählte«, sagte er.
»Du bist ein Dämon«, beharrte der Knochen-Druide. »Die Aura ist zu deutlich. Das Spiegelschwert wird den Beweis erbringen und dich richten. Wisse, daß es eine magische Waffe ist, geschaffen, einen Zweikampf zwischen Gut und Böse für das Gute zu entscheiden. Es entzieht dem Bösen Kraft und führt sie dem Guten zu. Fürchtest du dich nicht?«
»Du willst mit dem Spiegelschwert gegen mich kämpfen?«
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