0226 - Jagd auf Staatsfeind Nr. 1
die Sperre sofort wieder schloss.
Sie parkte den Cadillac in einiger Entfernung von der Einfahrt, die mit einem schmiedeeisernen Gitter verschlossen war. Daneben gab es ein kleineres Tor, von dem aus ein Fußweg zur Villa führte, und dieses Tor stand zum Glück offen. Sie stieg aus, nahm ihre Handtasche und schritt auf das Tor zu. Ein paar Polizisten und ein paar Männer in Zivil sahen sich nach ihr um, aber sie war es gewöhnt, dass sich die Männer nach ihr umdrehten. Auch wenn es Polizisten waren, musste es nicht bedeuten, dass sie ihr ein rein dienstliches Interesse widmeten.
Vor dem großen Haus führte eine Freitreppe mit sehr flachen Stufen hinauf zum Portal, das von Säulen getragen wurde. Sie drückte den Klingelknopf nieder. Es dauerte eine Weile, bis eine alte, grauhaarige Farbige erschien. Die Alte musterte sie misstrauisch.
»Ich bin die Sekretärin«, sagte Isabell Clifford.
»Ach so«, meinte die Frau, und gab die Tür frei.
Isabell Clifford verriet nicht, wie erleichtert sie darüber war, dass ihr Bluff so vorzüglich wirkte. Sie folgte der Farbigen durch die etwas düstere Diele mit der dunklen Holztäfelung und den zwei Gobelins, deren Farben so verblichen waren, dass sie ihr hohes Alter verrieten.
»Da drin«, sagte die Frau und zeigte auf eine Tür, während sie selbst nach links abschwenkte.
Isabell Clifford wartete einen Augenblick, bis sich die Tür hinter der Alten geschlossen hatte, bevor sie selbst die Tür öffnete, vor der sie stand. Dahinter öffnete sich ein unerwartet großer Raum, der eine sehr umfangreiche Bibliothek beherbergte, In der Mitte stand ein wuchtiger Eichentisch und daneben ein Globus von einem beachtlichen Durchmesser.
Vor den Fenstern hingen dicke Vorhänge, die das Licht nur sehr gedämpft einließen. Vielleicht lag es daran, dass Isabell Clifford den Mann nicht sogleich entdeckte, der im Schatten der Wand zwischen zwei Fenstern stand und hinaus auf die Straße blickte.
Sie befand sich schon fast bei dem Globus, als der Mann sich umdrehte, und sie ihn im gleichen Augenblick entdeckte.
»Guten Tag, Mister Traughers«, sagte sie.
Er kam einen Schritt auf sie zu und geriet dadurch aus der schattigen Stelle in das hellere Licht der Fenster. Sie sah, dass er ungefähr vierzig sein musste und sehr gut aussah. Er hatte ein markantes,'gebräuntes Gesicht mit einem kraftvollen Kinn und einer sehr geraden Nase. Das volle, mittelblonde Haupthaar zeigte an den Schläfen die ersten silbernen Fäden.
»Wer sind Sie?«, fragte er überrascht. »Wie kommen Sie überhaupt hier herein?«
»Ich heiße Isabell Clifford«, sagte sie und hielt seinem Blick stand. »Ich log Ihrer Haushälterin vor, dass ich Ihre Sekretärin sei.«
Sie fühlte, wie sein Blick rasch über ihre Gestalt huschte und auf ihr Gesicht zurückkehrte.
»Und was soll das Manöver?«, fragte er. »Ich bin im Augenblick nicht für Scherze zu haben.«
Dieser Mann muss eine unglaubliche Selbstbeherrschung besitzen, dachte sie. Oder er ist gefühlloser als ein Roboter.
»Ich bin Privatdetektivin«, sagte sie.
»Privat…«, wiederholte er verdutzt, ohne das Wort zu Ende zu sprechen. »Hm… Und welcher Anlass führt Sie zu mir?«
»Man hat Ihr Kind entführt«, sagte sie. Es war nichts weiter als eine sachliche Feststellung von Tatsachen.
»Woher wissen Sie das?«, fragte er scharf. »Es ist noch keine zwei Stunden her! Stehen Sie mit den Entführern in Verbindung? Oder was soll das bedeuten?«
Mit wenigen, federnden Schritten war er bis dicht an sie herangekommen. Sein Atem ging schnell.
»Ich verdiene jährlich an die Hunderttausend«, sagte sie. »Glauben Sie, dass er eine Privatdetektei gibt, die noch dazu von einer Frau gleitet wird, die so viel Geld verdient? Außer meiner Agentur bestimmt nicht. Wir geben uns nicht mit kleinen Sachen ab. Erinnern Sie sich an den Banküberfall vor einigen Wochen in Downtown? Er ging durch alle Zeitungen.«
»Ich habe davon gelesen«, sagte er. »Warum?«
»Ich gab dem FBI den Tipp, wo die Bande verhaftet werden könnte. Das trug mir die von der Bank ausgesetzte Belohnung über fünfzigtausend Dollar ein. Ich habe vorzügliche Verbindungen zur Unterwelt. Für einen Fall von Kindesentführung lassen sich solche Beziehungen leichter ausnutzen als bei diesem Banküberfall.«
»Wie meinen Sie das?«
»Selbst hartgesottene Gangster wollen nichts mit Leuten zu tun haben, die ein Kind entführen«, sagte Isabell Clifford wahrheitsgemäß. »Es wird einfacher sein,
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