023 - Das Kastell der Toten
Dottore Adalfi und die Schwester verließen das Zimmer. Nur die beiden Kriminalbeamten blieben, und Dave begann, so ruhig und so sachlich wie möglich über die Ereignisse vor seiner Flucht nach Cala Correggio zu berichten.
Luigi Valperde und Addo Rossi hörten zu.
Dave wusste, dass sie ihm nicht glaubten — nicht glauben konnten, genauso wenig, wie er ihnen im umgekehrten Fall geglaubt hätte. Aber sie ließen ihn immerhin ausreden und warteten, bis er mit seiner Erzählung am Ende war.
Valperdes Lächeln wirkte nachsichtig und verständnisvoll. Er war ein großer, schlanker Mann mit grauen Schläfen und ruhigen Augen. Dave hatte den Verdacht, dass man ihn für diese Vernehmung ausgewählt hatte, weil er über psychologische Kenntnisse verfügte.
»Sie haben zweifellos einen schweren Schock erlitten, Signore Connery«, meinte er nach einem langen Schweigen. »Man findet das manchmal. Fieberphantasien in Verbindung mit irgendeinem traumatischen Erlebnis, einem Unfall vielleicht...«
»Ich hatte keinen Unfall«, sagte Dave.
»Nun, möglicherweise können Sie sich nicht mehr erinnern und ...«
»Ich hatte keinen Unfall, Signore Valperde. Was ich Ihnen eben erzählt habe, ist wahr. Natürlich weiß ich, dass weder Sie noch Ihr Kollege mir glauben. Aber ich erwarte, dass Sie die Sache zumindest nachprüfen. Immerhin handelt es sich um drei Tote.«
Valperde atmete tief.
»Signore Connery«, sagte er geduldig. »Was Sie da erzählen, kann einfach nicht zutreffen. Schloss Montsalve ist seit Jahrzehnten unbewohnt. Es gibt dort vielleicht verwilderte Katzen — aber bestimmt keine Schlossherrin und bestimmt keine jungen Mädchen.«
Dave presste die Lippen zusammen.
»Ich irre mich nicht«, sagte er hart. »Fahren Sie mit mir nach Montsalve, und...«
»Einverstanden, Signore Connery. Ich habe erwartet, dass Sie das verlangen würden. Selbstverständlich sind wir bereit, Ihre Angaben nachzuprüfen.«
»Und wann?«
»Heute Nachmittag. Ruhen Sie sich bis dahin aus. Wir werden Sie abholen. Vorausgesetzt natürlich, dass Dottore Adalfi damit einverstanden ist.«
Der Arzt hatte nichts dagegen.
Dave fühlte sich noch etwas schwach auf den Beinen, als er aufstand und sich anzog, aber das legte sich schnell. Eine fieberhafte Spannung hatte sich seiner bemächtigt. Unruhig lief er im Zimmer auf- und ab, aß mittags nur wenig und musste sich zwingen, nicht eine Zigarette nach der anderen zu rauchen.
Am Nachmittag erschienen die beiden Polizeibeamten.
Ein uniformierter Carabiniere fuhr den Wagen. Addo Rossi saß auf dem Beifahrersitz, Dave und Valperde auf dem Rücksitz. Die Fahrt dauerte zwei Stunden. Während dieser Zeit versuchten die beiden Beamten noch einmal, Dave begreiflich zu machen, wie unsinnig seine Behauptung sei, dass sie auf Schloss Montsalve irgendein menschliches Wesen finden würden.
Dave gab ihm innerlich Recht — um menschliche Wesen handelte es sich ja auch nicht. Aber das behielt er für sich. Schweigend sah er aus dem Fenster, betrachtete die Landschaft, die ihm von Minute zu Minute bekannter vorkam, und wappnete sich für die kommende Stunde.
Als Montsalve aus dem Hitzeschleier tauchte, fuhr er unwillkürlich zusammen.
Alles war wie vorher.
Hinter der Mauer bewegten sich die Baumkronen des Parks, Staub wirbelte auf, der Wagen rollte über die altertümliche Zugbrücke. Im Schlosshof trieben sich zwei Dutzend Katzen herum — aber sie huschten in alle Himmelsrichtungen davon, als sie den Motor hörten, und waren Sekunden später nicht mehr zu sehen.
Dave presste die Lippen zusammen und blickte sich um. Leere Fensterhöhlen, Türen, die im Wind schwangen — sonst nichts. Jetzt schien es auch ihm, dass das Schloss einen unbewohnten, verfallenen Eindruck machte, und die beiden Beamten teilten offenbar seine Meinung.
»Sehen wir uns erst einmal diese merkwürdige Familiengruft an«, schlug Valperde vor.
Dave nickte nur.
Er ging voran, wies den anderen den Weg durch den verwilderten Park. Ein paar Katzen begegneten ihnen — aber Dave erinnerte sich, dass auch er die vielen Katzen in dem alten Gemäuer zunächst nicht ungewöhnlich gefunden hatte.
Die kleine Kapelle lag friedlich und seltsam versponnen auf der Lichtung zwischen den Bäumen.
Das Gitter hing lose in den Angeln. Dicker Staub bedeckte den Boden und die Falltür mit dem rostigen Eisenring. Rossi öffnete die Luke, Valperde leuchtete einen Moment lang mit der Taschenlampe in den unterirdischen Raum hinab und stieg schließlich
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