023 - Der Flug der Phaeton
gebe euch über Interkom Bescheid, wenn ich in der Triebwerksgondel bin!«
Chan bemühte sich, Dukes Überreste nicht anzusehen oder gar darauf zu treten, als er durch den Raum ging. Die Luft war mit einem unangenehmen, süßlichen Geruch erfüllt, der seinen Magen rebellieren ließ. Er versuchte nur zu atmen, wenn es unumgänglich war, und dann auch nur durch den Mund.
Tanjas Schritte verhallten hinter der Tür, als er die andere Seite des Wartungsraums erreichte und im schmalen Verteiler die linke Röhre, die schräg zur Gondel führte, erklomm. Es war trotz der eingebauten metallenen Haltegriffe mühsam, sich durch die schräge Röhre zu zwängen; dennoch hatte er innerhalb von wenigen Minuten die Gondel erreicht.
Das riesige Triebwerk füllte fast die gesamte Auslegergondel aus, sodass Chan nicht aufrecht stehen konnte und sich in die Rundung bücken musste. Die Luft war unerträglich heiß. Es war nichts Ungewöhnliches zu erkennen. Er drückte den grünen Knopf eines Interkoms neben ihm.
»Hallo, hier Chan. Ich bin in der Triebwerksgondel, kann aber nichts erkennen, das den Start des Triebwerks verhindert. Duke ist leider keine Hilfe, er, äh …«
»Tanja hat mir schon alles erzählt, verdammte Bürokraten!«, schimpfte Chandler. »Der arme Duke! Noch zwei Jahre, und er hätte die Konzernpension beziehen können! Dann hätte er kaum noch zu arbeiten brauchen; er hatte ja so wenige Ansprüche. Aber zurück zum guten alten Flibobooster. Gehen Sie mal weiter nach vorn zu dem dicken Wulst. Blinkt da ein rotes Licht?«
Chans Achtung vor Chandler stieg immer mehr. Tatsächlich blinkten eine Reihe von roten Lichtern auf einem dicken Wulst um das röhrenförmige Triebwerk.
»Eines? Mindestens fünf blinken mich hohnlächelnd an, da ich keine Ahnung habe, was sie mir sagen wollen.«
»Schon gut, Jungchen, dann sind wieder mal die Antimateriefilter verstopft. War wohl doch etwas zu hart für die alten Damen. Aber das lässt sich einfach beheben. Sehen Sie braune Knöpfe unter einer Abdeckung? Sehr gut, einfach drücken und laufen!«
Wie befohlen drückte Chan die braunen Knöpfe, dann stutzte er.
»Laufen? Wieso laufen?«
»Ooops, habe ich das nicht gesagt? Die Filter werden mit einer kleinen Materie-Antimaterie-Explosion gereinigt. Na ja, eher einer mittleren … und dann halten die Abschirmungen nicht mehr. Es dürfte aber nur die etwa hundertfache Strahlung der Hiroshimabombe in der Gondel entstehen. Außerdem nur für wenige Minuten. Also keine Gefahr für das Schiff!«
»Aber für mich!«, schrie Chan und rannte, soweit ihm das seine Schräglage erlaubte, wie noch nie in seinem Leben Richtung Wartungsschacht. Er achtete nicht auf hervorstehende Metallteile, die schmerzhaft seinen Körper tangierten und rutschte, ohne die Haltegriffe zu ergreifen, den Wartungsschacht hinunter. Schlitternd glitt er durch den Wartungsraum und warf die schwere Tür in die Halterung, die schmatzend einrastete. Gerade noch rechtzeitig, denn das strahlungssichere Elastoplast der Türscheibe glomm auf und die Reste von Duke an der Scheibe wurden schwarz.
5. Alte Kriegswunden
Zärtlich sprühte Tanja Flüssigpflaster auf Chans Blessuren. Der Film trocknete sofort, desinfizierte die Wunden und zog sich leicht zusammen, sodass Nähen nicht notwendig war. Eine Hormonmischung ließ solch kleinere Wunden in wenigen Minuten fast vollständig verheilen.
»Du Armer, lass den Film aber noch einige Stunden dran. Wir wollen ja keine Narben«, grinste Tanja.
Chan saß wieder in »seinem« Sessel in der Kommandokuppel. Finster blickte er zum Kapitän.
»Sie hätten mich ruhig vorher auf die Gefahren aufmerksam machen können. Fast wäre ich gegrillt worden!«
»Sorry, aber ich dachte, Duke steht ihnen zur Seite. Außerdem wollte ich sichergehen, dass Sie es auch machen. Hier kann ich keinen Mann entbehren. Sie allerdings …«
Bei Chandlers Grinsen wurde Chan mulmig. Bevor er etwas mehr oder minder Sinnvolles erwidern konnte, fiel im Jean ins Wort.
»Ich habe eine schwache Anzeige in der Ortung; die Koordinaten, die Sie uns gegeben haben, stimmen aufs Haar. Das muss die GERHARD SCHRÖDER sein! Wir haben sie gefunden!«
Überlegend kaute Chandler auf seinem Pfeifenstiel. »Ja, auf die Flibos ist Verlass! Kipp die PHAETON um 180 Grad und leite ein Bremsmanöver ein. Wenn die Außensensoren zeigen, dass die SCHRÖDER noch strahlt, dreh sofort ab.«
Ein kaum spürbarer Ruck zeigte an, dass die PHAETON sich mit dem Heck zum Ziel
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