0236 - Ich ging in die Höhle des Löwen
Nummer von der Kanone feststellen können.«
Mein Gerede verwirrte ihn. Ein Ausdruck von Unsicherheit erschien in seinem Gesicht.
Ich versuchte, meine Chance zu nutzen. Wenn man einen Mann angreifen will, so tut man es am besten in dem Augenblick, in dem er unsicher geworden ist.
Ich riß die Hände von unten nach oben, und es gelang mir, Breds Hand mit dem Revolver schräg nach oben zu drücken, bevor er den Finger krümmen konnte. Nur Sekundenbruchteile später schlug ich die linke Hand um sein Handgelenk und griff mit der rechten Hand zu, um dem Sergeanten die Waffe zu entreißen.
Um eine winzige Zeitspanne kam ich zu spät. Slim Bred, der immerhin durch eine Polizeischule gegangen war, reagierte auf die einzige Weise, die ihn vielleicht noch retten konnte. Er öffnete einfach die Finger und ließ den Revolver fallen. Gleichzeitig warf er sich mit aller Gewalt gegen mich, um mich von der Stelle, auf die der Revolver gefallen war, zu drängen.
Der Sergeant war kleiner als ich, aber massiv und breit. Ich taumelte rückwärts gegen einen Tisch. Bred riß seine Hand aus meinem Griff, schlug mir mit der linken Faust einen Brocken in die Magengrube und schleuderte sich herum, um die Kanone aufzuheben.
Ich setzte ihn mit einem riesigen Hechtsprung nach, erwischte ihn bei der Hüfte und riß ihn von dem Revolver fort. Wir überkugelten uns, krachten gegen die Hüttenwand, daß die ganze Bude wackelte.
Ich glaube, es war ein mächtiges Gezappele, dessen Einzelheiten mir nicht mehr in der Erinnerung sind. Ich weiß nur noch, daß Bred mich einmal mit dem Fuß ins Gesicht trat, und daß es mir gelang, ihm den Ellbogen unter das Kinn zu rammen.
An die fünf Minuten wälzten wir uns so auf der Erde herum. Bred mochte spüren, daß er auf diese Weise den kürzeren zog. Wieder versuchte er, sich loszureißen. Er kam auf die Füße, aber ich kam gleichzeitig mit ihm hoch, und ich stand zwischen ihm und dem Revolver.
Er griff sofort an, wuchtig und mit der ganzen Wut eines Mannes, der seine Pläne durchkreuzt sieht. Ich konnte nicht alles vermeiden, was er abfeuerte. Zum zweiten Male gelang es ihm, mich zurückzudrängen, und jetzt war er näher an der Kanone als ich.
Er beging einen Fehler. Er bückte sich zu früh nach dem Schießeisen, vernachlässigte dabei seine Deckung. Ich schlug von oben nach unten zu. Der Brocken traf sein Ohr und zwang ihn in die Knie, aber er besaß Geistesgegenwart genug, den Revolver mit einem Fußtritt aus meiner Reichweite zu schleudern.
Ich versäumte die Chance, ihn endgültig auszuknocken. Aus den Knien heraus schnellte er sich hoch, rammte seinen Schädel gegen meine Brust, so daß ich gegen die Barackenwand fiel. Dadurch bekam er Luft. Wie ein Panther fiel er mich an.
Ich denke, es dauerte noch einmal fünf Minuten, bis er sich ausgetobt hatte. Wenn man mit einem Mann boxt, so spürt man es genau, wann den Gegner die Kräfte verlassen. Man sieht es an seinem Gesicht, hört es an dem stärkeren Keuchen seiner Lungen und spürt es an dem nachlassenden Druck seiner Schläge.
Ich kämpfte kalt, als Bred diesen Punkt erreicht hatte. Für einen unbeteiligten Beobachter mochte es aussehen, als wäre immer noch er der Stärkere, als kassierte ich Dutzende von Schlägen, wo er nur zwei oder drei einsteckte, aber in Wahrheit traf er fast nur noch meine Deckung, während jede Hieb von mir seine Rippen, seine Brust oder sein Gesicht traf.
Klar, daß ’ne Type wie Slim Bred zum Schluß, als er einsah, daß er e nicht mehr schaffen würde, einen schmutzigen Trick versuchte. Ich hatt das einkalkuliert, und ich konnte ausweichen. Eine Sekunde später traf ich sein Kinn voll. Seine Augen bekamen den glasigen Blick des angeschlagenen Mannes. Er versuchte, sich mit der allerletzten Verzweiflung zu retten.
Es dauerte nur noch Sekunden. Dann lag der Sergeant Slim Bred auf dem schmutzigen Boden der Baracke und versuchte vergeblich, sich hochzustemmen.
Ich holte seinen Revolver aus der Ecke, in die Breds letzter Fußtritt ihn geschleudert hatte. Die Patronen schimmerten gelb, die Sicherung war zurückgeschoben.
Bred stützte sich mühsam auf den Händen hoch, als ich an ihn herantrat. Seine immer noch glasigen Augen weiteten sich, als er die Waffe in meiner Hand sah.
»Nein«, keuchte er… »nein, nein.« Zum Schluß schrie er das Wort heraus; »Nein…«
***
Das Rumpeln der Baumaschinen weckte mich. Auf dem Gelände, das sich an meinen Bungalow anschloß, ratterten die Betonmischmaschinen,
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