0237 - Die drei Sternenbrüder
seinen Erfahrungsschatz und hilft mit seinem Wissen dem Hungrigen, die richtige Nahrung auszusuchen. Der Dritte, den sie den Außenposten nennen, hat vermutlich die Funktion eines Beobachters. Wenigstens deutet der Name darauf hin. Wahrscheinlich besitzt einer der drei - ich würde auf den Wißbegierigen tippen - noch eine begrenzte Fähigkeit, das Ungeheuer nach seinem Willen zu lenken. Der Beobachter sagt ihm, wo es Wissenswertes zu sehen gibt oder wenn dem Hungrigen der Magen allzu laut knurrt, Nahrung gefunden werden kann.
Der Trick bei alldem ist, daß die meisten energieverbrauchenden Funktionen des ursprünglichen Moby-Körpers stillgelegt sind. Die Gehirnmasse, die diese Funktionen kontrollieren mußte und deshalb zu gering war, um dem Moby ausgesprochene Intelligenz zu verleihen, reicht jetzt auf einmal aus, um zumindest den Wißbegierigen zu einem hochintelligenten Wesen zu machen. Den Hungrigen halte ich für einen Schwachsinnigen. Von dem Außenposten wissen wir nichts."
Er hielt inne und sah Hess erwartungsvoll an. Er war sicher, daß Hess eine Menge Widersprüche parat hatte. Deswegen überraschte es ihn zu hören, wie er sagte: „Nach allem, was ich gehört habe erscheint mir die Hypothese plausibel. Man könnte natürlich darüber diskutieren, wie sich aus der Gehirnmaterie des toten Mobys das Bewußtsein jedes seiner drei Nachfolger herausgeschält hat. Vielleicht war es eine Sache jahrtausendelanger Evolution, vielleicht geschah es infolge eines Entwicklungssprunges einer Mutation Aber das ist unwesentlich. Wichtig für uns ist, daß wir so schnell wie möglich einen Weg nach draußen finden. Denn ich bin sicher, daß weder der Wißbegierige noch der Hungrige die Absicht haben, uns je wieder gehen zu lassen."
„Das wollte ich sagen", fügte Kim hinzu. „So menschlich diese Wesen uns auch vorkommen mögen, wir dürfen nicht damit rechnen, daß sie nach den Regeln menschlicher Moral handeln. Der Wißbegierige wird uns aushorchen, bis er sich alle unsere Kenntnisse angeeignet hat und uns dann dem Hungrigen übergeben. Und dort ist Endstation."
Hess nickte bedächtig.
„Und wie hattest du dir das mit dem Entkommen vorgestellt?" fragte er.
„Sowohl der Wißbegierige als auch der Hungrige", erklärte Kim, „identifizieren sich mit dem Körper des alten Mobys. Ich bezweifle jedoch, daß sie das Ausmaß dieses Körpers kennen. Ihr Nervensystem, oder was auch immer sie anstelle von Nerven benutzen, reicht wahrscheinlich nur bis zu jenen Teilen, die sie noch unter Kontrolle haben. Von dem Rest wissen sie nichts. Das heißt, über den Außenposten weiß ich nicht genau Bescheid. Vielleicht hat er einen weiteren Überblick. Aber vorläufig ist er noch nicht im Spiel. Wir könnten also einen Felsbrocken von irgendeinem weit entfernten Teil des Moby-Körpers lösen und ihn dem Hungrigen vorwerfen, ohne daß er wüßte, daß er da seine eigene Substanz verzehrt."
„Na schön", gab Hess zu. „Aber warum liegt dir der Hungrige so am Herzen?"
„Weil er mir eine Möglichkeit bietet, nach draußen zu kommen. Der Neugierige verfügt offenbar über eine Art telekinetischer Begabung. Damit hat er uns hierhergeholt, und auf die gleiche Weise wird er uns an die Oberfläche bugsieren. Er wird uns an der Grenze seines Wirkungsbereiches absetzen, und wenn wir noch ein paar Kilometer aus eigener Kraft gehen, sind wir aus seinem Blickfeld verschwunden. Das heißt, wenn meine Hypothese stimmt. Wahrscheinlich werden wir zur BAGALO mit unseren Helmsendern nicht durchdringen, aber die Kaulquappe, die im Maul des Moby stationiert ist, müßten wir erreichen können. Wir können uns Zeit lassen, der Wissensdurstige wird sich wahrscheinlich darauf einlassen, daß wir vier oder fünf Stunden lang fortbleiben. In der Zwischenzeit kann die Kaulquappe das Schiff benachrichtigen. Wir brauchen nämlich ein paar Utensilien, um die endgültige Flucht zu bewerkstelligen."
Hess winkte ab.
„Ja, ich begreife", sagte er mit einer Stimme, der die Aufregung deutlich anzumerken war. „Der Plan ist ausgezeichnet."
Kim drehte sich um und sah Yotur Dyke an. Yotur erwiderte seinen Blick ruhig. Zum erstenmal kam Kim zu Bewußtsein, daß er in der ganzen letzten halben Stunde kein einzige, Wort gesagt hatte.
*
Nach fast zwei Stunden meldete sich der Wißbegierige wieder. Das neblige Licht ringsum wurde um einige Grad heller, und im nächsten Augenblick hörte Kim die Frage: „Seid ihr bereit, dem Hungrigen Nahrung zu
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