0244 - Der Seelen-Vampir
gestillt und ein junges Mädchen ebenfalls zu einem Blutsauger gemacht.
Noch lag es auf den Planken. Verkrümmt. Die Gischt hatte das Totenhemd genäßt. Es klebte an dem Körper wie ein alter, feuchter Lappen.
»Wie heißt sie eigentlich?« fragte Lady X.
»Ich weiß es nicht.«
Die Scott blickte auf das blondhaarige Geschöpf. Es würde sich bald erheben und ebenfalls in den Reigen der Vampire eingereiht werden. Zu diesem Zeitpunkt allerdings ahnte die ehemalige Terroristin noch nicht, welch eine Zeitbombe sie sich mit dieser Tat ins eigene Nest gelegt hatte.
Jetzt sah sie erst einmal das Licht, das dicht über der dunklen Wasserfläche aufblitzte.
Zweimal kurz, dann zweimal lang.
Das Zeichen!
Bevor die ehemalige Terroristin ins Ruderhaus hastete, sagte sie zu Vampiro-del-mar: »Halte dich bereit. Sie sind da, um uns abzuholen…«
»Und sie?« fragte der Uralt-Vampir, wobei er auf das blonde Mädchen deutete.
»Leg sie solange in den Sarg…«
***
Suko und ich atmeten ein paarmal tief durch, als wir endlich die Unterwelt verlassen hatten. Es war grauenhaft, in diesen von Leichengeruch durchdringenden Gängen herumzulaufen, aber uns war keine andere Möglichkeit geblieben.
Beide ruhten wir uns minutenlang aus. Suko suchte dabei den Himmel ab, aber von dem Seelen-Vampir und den beiden Fledermäusen fand er keine Spur.
Die Provinz Cornwall wird im allgemeinen als die windigste Ecke Englands bezeichnet.
Davon konnten wir ein Lied singen, denn über die Felsen pfiff der Wind und schüttelte uns regelrecht durch. Wenn wir nach rechts blickten, fiel er auf das gewaltige Meer, das wie eine wogende schwarze Fläche zu unseren Füßen lag.
Ein wirklich ungezähmtes, wildes Land.
Der nächste größere Ort hieß Porthieven. Dort mußten wir hin, wenn wir den Bergungstrupp alarmieren wollten.
Viel Zeit konnten wir uns nicht mehr lassen. Der Pfarrer sollte noch in der folgenden Nacht zwischen den Klippen weggeholt werden, ich wollte ihn da nicht liegen lassen.
Wir fuhren ab.
Natürlich würden wir bleiben. Der Seelen-Vampir mußte ausgelöscht werden. Wir hatten ihn zwar noch nicht aus der Nähe gesehen, wußten nicht wie er aussah, aber wir kannten seine schreckliche Arbeitsweise. Vier Tote waren mehr als genug.
In Porthieven brannten nur wenige Lichter. Der Ort besaß einen kleinen Hafen. Er lag in einer winzigen geschützten Bucht, so daß ihn Schiffe auch bei Sturm anlaufen konnten.
Wir sahen die Polizeistation dort, wo sich das Zentrum des Ortes befand. Zwei Polizisten taten Dienst.
Sie hatten es sich bequem gemacht, als wir eintrafen, und sie bekamen große Augen, während sie sich anhören mußten, weshalb wir gekommen waren. Selbst das Wort Scotland Yard riß sie nicht vom Hocker. Schweigend setzten sie ihre Mützen auf und gaben danach Alarm.
Der Bergungstrupp bestand aus freiwilligen Helfern. Die Männer hatten Routine, das sahen wir sofort. Sie seilten sich geschickt ab und legten den zerschmetterten Körper des Pfarrers auf eine Trage, die sie abschließend hochhievten.
Ich hatte beschlossen, daß der Mann in sein Heimatdorf gebracht werden sollte. Es lag etwas nördlich von Porthieven, abseits der Straßenverbindung und nicht so nahe an den Klippen.
Der Ort hieß South Trebone. Eine Kirche, ein Friedhof, eine kleine Leichenhalle und ein Gemeindehaus waren vorhanden. Nur eine Polizeistation gab es in South Trebone nicht.
Wir machten den Bürgermeister mobil. Er hieß William Biggle und bekam einen Schock, als er den Toten sah. Über sein Gesicht lief ein Zucken. Er begann plötzlich zu weinen, und wir standen schweigend neben ihm. Dieser Mann trauerte wirklich, es war keine Tuerei.
»Wie ist es passiert?« fragte er schließlich.
»Darüber können wir später reden. Wir müssen nur den toten Pfarrer aufbahren.«
»Ja, ja, ich sage dem Zimmermann Bescheid. Er ist gleichzeitig Totengräber und hat auch den Schlüssel zur Leichenhalle. Wollen Sie mitkommen?«
»Nein, wir warten hier.«
»Gut, es dauert nicht lange.«
Die Polizisten, die aus Porthieven mitgekommen waren, gaben sich ein wenig unruhig. Sie sagten nichts, aber wir verstanden, was sie wollten. Sie hatten keine Lust, noch länger in dem Kaff zu bleiben. Ich erklärte ihnen, daß sie gehen konnten.
Fast fluchtartig verließen sie uns.
»Seltsame Leute«, sagte Suko.
»Die Menschen hier sind anders als in London oder Manchester. Eben noch kernig.«
»Na, ich weiß nicht…«
Der Bürgermeister kam wieder zurück. In der
Weitere Kostenlose Bücher