0244 - Der Seelen-Vampir
Pfarrer. Jetzt ist er tot. Wir leben hier in Cornwall, weitab von London. Für Sie sind wir vielleicht nicht einmal zivilisiert oder so ähnlich. Sie können sich schlecht in unsere Psyche hineindenken. Vielleicht haben Sie noch nie in Ihrem Leben Angst verspürt, ich kann Ihnen sagen, Sir, es ist grausam.«
Der Mann hatte unrecht. Ich wollte ihm jetzt nicht aufzählen, wie oft ich schon Todesangst verspürt hatte, aber ich konnte es ihm nachfühlen. Die Angst kann einen Menschen verändern, ihn regelrecht fertigmachen und auch seine Seele zerstören.
»Wie haben es denn Ihre Mitbürger aufgenommen?« fragte Suko.
»Andere Familien haben doch ein ähnliches Schicksal hinter sich.«
»Das stimmt, aber auch Sie taten nichts. Sie hofften nur, daß sie nicht die nächsten sein würden.«
»Er holt sich nur Kranke?«
Biggle nickte auf Sukos Frage. »Das stimmt allerdings. Nur kranke Menschen geraten in seinen Bann. Er scheint darauf zu lauern, daß jemand im Sterben liegt, um dann zuschlagen zu können.«
»Wissen Sie zufällig, ob jemand im Sterben liegt?« erkundigte ich mich leise.
»Sie meinen hier im Dorf?«
»Ja.«
Die Mundwinkel des Mannes zuckten. »Das ist auch so ein Problem, Sir. Früher sind die Menschen nicht so schnell oder hintereinander krank geworden.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Alle Fälle passierten in den letzten Wochen. Über dem Ort liegt ein Fluch! Der Fluch des Seelen-Vampirs.«
»Den es schon länger gab?«
»Natürlich, Mr. Sinclair. Er treibt sein Unwesen bereits seit Jahrhunderten, wenn man den alten Geschichten glauben darf. Ungefähr seit 200 Jahren.«
»Und wo kam er her?«
»Nicht von hier.« Biggle griff zur Flasche und schenkte sich noch einen Whisky ein. »Der Seelen-Vampir, der auch Tarrasco heißt, stammt aus Rumänien.«
»Was?« Das war in der Tat eine Überraschung. »Sind Sie da sicher, Mr. Biggle?«
Der Bürgermeister genehmigte sich einen Schluck. »Ja, Sir, dessen bin ich mir sicher. Tarrascos Heimat ist Rumänien, das klassische Land der Vampire.«
Wir waren in der Tat mehr als überrascht, denn damit hatten wir nicht gerechnet.
Mein Partner hatte einen eigentümlichen Ausdruck im Gesicht, den ich bei ihm sonst nur kannte, wenn er über ein schweres Problem nachdachte.
»Rumänien also«, murmelte ich. Sollte uns die Spur vielleicht noch in dieses Land führen? Nein, Tarrasco hatte seine Heimat hier gefunden, ebenso wie die Opfer.
Ich wandte mich wieder an den Bürgermeister. »Wie war es möglich, daß er nach Cornwall kam?«
»Das weiß niemand, Sir. In der Legende spricht man von einem Schiff, das ihn gebracht haben soll. Als blinden Passagier.«
»Und dann?«
»Hat er hier weitergemacht und den Menschen die Seelen ausgesaugt.«
»Nicht das Blut?«
»Nein.«
»Wie sieht er aus?« wollte Suko wissen. »Hat man ihn gesehen? Gibt es eine Beschreibung?«
»Dazu kann ich Ihnen kaum etwas sagen. Mir jedenfalls ist er noch nicht über den Weg gelaufen.«
»Aber es gibt Zeugen?« Mein Partner ließ nicht locker.
»Ja, die existieren. Er soll aussehen wie ein Graf. Groß und dabei düster, weil er schwarze Kleidung trägt. Er soll sehr bleich sein, ein Angstmacher.«
Ich nickte. Die Beschreibung kam hin. Ich brauchte nur an das Wesen zu denken, das von den beiden roten Vampiren davongetragen worden war.
Aber wieso waren sie ins Spiel gekommen? Was hatten die roten Vampire mit diesem Tarrasco zu tun? Da mußte doch auch Vampiro-del-mar dahinterstecken.
Ich erkundige mich noch einmal bei dem Bürgermeister nach den roten Vampiren und erhielt abermals eine negative Antwort.
Er hatte sie nie gesehen. Auch nichts von ihnen gehört. Es waren für ihn unbekannte Wesen.
Ich wollte das Thema auch nicht weiter vertiefen und dachte daran, daß noch eine Frage offen war. »Mr. Biggle, ich hatte Sie vorhin gefragt, ob es noch Kranke im Ort gibt. Sie haben mir ein wenig zu ausweichend geantwortet. Gibt es noch Kranke in South Trebone?«
Er nickte. Sein Gesicht zeigte Qualen. Für mich ein Beweis, daß ich voll ins Schwarze getroffen hatte.
»Und wer ist es?«
»Lilian Lancaster.«
»Eine ältere Frau?«
»Nein«, flüsterte Biggle, »ein junges Mädchen, Sir. Gerade 18 Jahre alt geworden. Seit zwei Tagen liegt sie bewegungslos und apathisch in ihrem Bett.«
»Haben Sie einen Arzt gerufen? Oder ihre Eltern?«
»Nein, Sir. Das hat doch keinen Sinn. Ich glaube nicht, daß uns ein Arzt helfen kann, wirklich nicht.« Er wischte fahrig über seine Stirn
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