0244 - Der Seelen-Vampir
so.
Während der Inspektor sich um William Biggle kümmerte, hetzte ich auf den am Straßenrand parkenden Bentley zu und fand dahinter Deckung. Der Wagen war notdürftig repariert worden, nachdem bei unserem letzten Fall zwei Löwen geglaubt hatten, mit uns und ihm ihren Hunger stillen zu können. [2]
Ich erreichte den Bentley vor der Fledermaus. Natürlich hielt ich längst die Beretta in der rechten Hand, und die Mündung wies schräg über die Kühlerhaube auf die anfliegende Riesenfledermaus.
Wie ein übergroßer Flugdrachen segelte das Tier durch die Straße, die Flügel weit ausgebreitet, so daß die Spitzen fast die Hauswände berührten.
Zwischen den großen, schwarzen Schatten der Schwingen glühten die kleinen, roten, gefährlichen Augen, die auf mich wie sezierende Messer wirkten.
Ich zielte genau.
Diese Vampirbrut mußte man vernichten. Je weniger Diener Vampiro-del-mar besaß, um so besser war es.
Ich kam nicht zum Schuß.
Suko feuerte.
Hinter mir hörte ich den peitschenden Klang der Beretta, drehte mich hockend um und sah für einen Moment meinen Partner, der in der Haustür stand, den Arm vorgestreckt hatte und zielte.
Suko hatte gut getroffen.
Er mußte zwischen die Augen gehalten haben, denn sie gerieten plötzlich in Bewegung und führten wilde, tanzende Zickzack-Kurven auf.
Der Flug wurde gestoppt.
Von nun an kämpfte der Riesenvampir mit seiner endgültigen Vernichtung.
Suko löste sich aus seiner Deckung und kam zu mir gelaufen.
Auch ich stand auf. Uns wurde die Riesenfledermaus nicht mehr gefährlich.
Sie fiel.
Jetzt vernahmen wir auch das wilde Flattern ihrer Flügel. Sie schlugen unkontrolliert. Letzte Zuckungen, ein Zeichen, daß die Kraft das Monstrum verließ.
Es lag bereits am Boden. Auch ich blieb nicht mehr stehen und trat auf die Straße.
Der rote Vampir hatte sich auf die Seite gedreht und dabei eine Schwinge aufrecht gestellt, so daß sie wie eine Lanze in die Höhe stach. Der Prozeß der Auflösung ließ sich nicht mehr stoppen. Ich bekam mit, wie die Spitze des Flügels allmählich grau und bröselig wurde. Einen Augenblick später brach sie ab.
Der Staub hatte sich noch nicht am Boden abgesetzt, als die Fledermaus ebenfalls zerfiel. Dieses Riesenuntier, das eine so große Angst verbreiten konnte, hatte das Recht einer untoten Existenz verloren. Es verging.
Leichenblaß war der Bürgermeister. Nachdem keine Gefahr mehr bestand, hatte er das sichere Haus verlassen. Er blieb neben mir stehen, schüttelte den Kopf und rief immer wieder aus: »Mein Gott, mein Gott, was ist da nur geschehen?«
Ich gab ihm die Antwort. »Wir haben Schwarze Magie mit einer Weißen bekämpft.«
»Und gewonnen«, fügte Suko hinzu, wobei er seine Beretta wegsteckte.
»Aber daß es so etwas geben kann!« flüsterte William Biggle. Er hob die Schultern. »Unbegreiflich. Wie kommt es?«
»Darüber denken wir schon lange nach«, erwiderte ich. »Eine Antwort haben und werden wir wohl niemals finden. Zudem gibt es Dinge, die man als Tatsachen akzeptieren und nicht länger darüber nachdenken soll. Das ist meine Ansicht.«
»Vielleicht ist es wirklich besser.« Biggle schaute die Straße hoch.
Suko und ich glaubten, seinen Blick verstanden zu haben. Er dachte an das kranke Mädchen, das unter Umständen von dem Blutsauger geholt werden könnte.
Ich nickte Suko zu. »Los, Alter, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Es gibt ja noch eine Fledermaus.«
»Noch eine?« Biggle erschrak und ging unwillkürlich zurück.
Ich hatte mich längst entschlossen, ihn nicht mitzunehmen. Wir ließen uns den Weg beschreiben und starteten dann.
Der Bürgermeister aber schaute uns aus angstgeweiteten Augen nach und schlug hastig ein Kreuzzeichen…
***
Mit dem in das Zimmer fallenden Glasregen kam auch das Fauchen.
Das rötlich schimmernde Untier hockte auf der Fensterbank und hatte sich dort im Holz festgekrallt. In der Tat war es so, denn die Haut besaß keine schwarze Farbe, wie die Frau zuerst angenommen hatte, als sie die Fledermaus vor dem Fenster sah.
Ein roter Riesenvampir!
Mit feurigen Augen!
Sie glühten wie zwei heiße Kohlestücke. Darunter befand sich ein, in Relation zum Gesicht stehendes zu großes, weit geöffnetes Maul, in dem zwei lange Zähne schimmerten.
Die Vampirzähne – das Wahrzeichen dieses gefährlichen Blutsaugers.
War das der Seelen-Vampir?
Nein, auf keinen Fall. Das konnte und wollte die Frau nicht glauben. Der Seelen-Vampir sah anders aus, Zeugen hatten ihn
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