0248 - Gatanos Galgenhand
Die Leute aus den Plains von Dakota hätten sie kaum wiedererkannt, so wie sie von den großen Plakatwänden lächelte.
Früher war ihr Haar fahl wie eine von der Sonne verbrannte Prärie gewesen, dann waren die Friseure und Coiffeure gekommen und hatten sich der Haarpracht angenommen. Jetzt glänzten sie in einem satten Braun und waren zu einer frechen, modischen Frisur geschnitten.
Auch sonst hatte sie aus sich etwas gemacht. Das fing mit dem harten Training an der Ballettstange an, nahm seinen Fortlauf in der nicht weniger anstrengenden Gesangsausbildung, und spezielle Trainer machten sie auch für das Auftreten in der Öffentlichkeit fit. Sie mußte lernen, sich zu bewegen, wie man Gäste begrüßte, und sich in Pose stellte, und ihr Lächeln erhellte die Herzen der New Yorker in der Weihnachtszeit.
Auf ihre Seele nahm niemand Rücksicht. Kaum einer wußte von den beiden Zusammenbrüchen der Judy Jackson. Als sie nicht mehr konnte, alles hinwerfen wollte und zur Droge griff. Man hatte sie retten können.
Zum Glück war sie von dem Zeug nicht so abhängig, aber man wollte sichergehen und gab ihr einen Begleiter an die Seite, der offiziell als Verlobter geführt wurde, tatsächlich aber nur der Leibwächter war. Er spielte dabei noch den Fotografen, und sein Name lautete Bernie Osborne.
An jenem Nachmittag kam Bernie mit allen Anzeichen von Aufregung in das Hotelzimmer. »Judy, Sweatheart, du mußt alles umwerfen!« keuchte er und schleuderte seinen marineblauen Schal zurück, den er zum grauen Pelzmantel trug.
»Was muß ich umwerfen?«
»Deinen Termin, Süße.«
»Den bei der Wahrsagerin?«
»Ja, bei wem sonst.« Bernie flegelte sich lässig in einen Sessel, breitete die Arme aus und schlug die Beine übereinander. Er trug sein Haar lockig, hatte die Ohren frei, aber im Nacken, da bildete es eine regelrechte Matte.
Sein Gesicht war gebräunt. Die Besitzer der Solarien verdienten gut an ihm.
Judy trat mit dem Fuß auf. »Nein«, sagte sie. »Ich muß gar nichts. Ich werde zu dem Termin gehen.«
»Das ist Unsinn.«
»Für mich nicht.«
»Aber wir müssen zu einem Empfang. Der Oberbürgermeister gibt ihn heute abend. Denk daran, daß die Präsidentengattin den neuen Kinderstar Annie empfangen hat.«
»Ich bin aber nicht Annie.«
Jetzt grinste Bernie Osborne. »Aber du kannst so berühmt werden, denn du bist auf dem besten Weg dazu.«
»Und wenn ich nicht will?«
»Was?«
»Berühmt werden.«
Da lachte Osborne. Er schlug sich vor Vergnügen auf die Schenkel.
»Komm mir nicht mit so etwas, Kleine! Natürlich willst du berühmt werden. Du kannst gar nicht anders. Es ist alles genau vorgezeichnet.«
Er hob beide Hände und deutete damit eine gerade Linie an. »Die mußt du gehen, und von ihr wirst du keinen Schritt abweichen.«
»Ich bleibe bei meinem Termin.«
»Geh morgen zu der komischen Tante.«
Diesmal bekam Judy einen Wutanfall. Sie nahm einen gläsernen Kerzenständer und schmetterte ihn zu Boden. Der Teppich dämpfte den Fall zwar, heil blieb das Glasstück aber nicht.
Bernie blieb ruhig. Er war diese Ausbrüche gewöhnt, schüttelte nur den Kopf und grinste. »Du machst es dir wirklich nur unnötig schwer, meine Liebe. Wir gehen.«
»Aber zu ihr.«
Bernie begann zu überlegen. Es war riskant, wenn er jetzt seinen Willen durchsetzte.
Er mußte Judy bei Laune halten. Zwar hatte er Rückendeckung bei den Managern, doch wenn die Frau sich über ihn beschwerte, tat das dem Image nicht gut.
Bernie Osborne machte alles sehr theatralisch. Vor allen Dingen dann, wenn er seine Meinung geändert hatte. In diesem Fall sah es auch so aus. »Gut, Kindchen, schließen wir einen Kompromiß«
»Auch das nicht.« Judy blieb stur.
»Hör mich erst einmal an. Du kannst zu deiner Sternentante hinfahren. Ich habe nichts dagegen.«
Erstaunt und wortlos schaute Judy ihn an.
»Wenn ich es dir sage.«
»Das glaube ich dir nicht.«
»Doch, du kannst es. Die Sache wird ja sicherlich nicht so lange dauern, oder?«
Judy Jackson lachte. »Das ist also der Haken. Du willst zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.«
»Nein, nur einen Kompromiß schließen. Ist meiner Ansicht nach sehr fair.«
»Vielleicht.«
»Ja oder nein?« Bernie sprach nun mit normaler, fast unpersönlich klingender Stimme.
»Ich stimme zu.«
»Wußte doch, daß du vernünftig bist«, erwiderte Bernie Osborne. Er stemmte sich aus dem Sessel, tätschelte die Wange der Sängerin und nickte zufrieden. »Wir müssen immer klarkommen.
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