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0252 - Der Satan haßt das Spiegelbild

0252 - Der Satan haßt das Spiegelbild

Titel: 0252 - Der Satan haßt das Spiegelbild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Satan haßt das Spiegelbild
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einem Tablett ein paar dampfende Schüsseln brachte. Mit dem Fuß stieß er dann die Tür ins Schloss und stellte das Tablett auf den Tisch, genau vor das Mädchen. Dann sprang er mit ein paar leisen Schritten wieder an die Tür zurück, und während er ein paar belanglose Sätze ins Zimmer hinein zu dem Mädchen sagte, riss er plötzlich die Tür weit auf und schaute misstrauisch nach draußen.
    Aber die alte Frau war fast schon an der Treppe und sein Verdacht blieb unbestätigt. Um selbst kein Aufsehen zu erregen, rief er der Frau noch zu: »Bringen Sie uns noch ’ne Karaffe Wein! Dasselbe Zeug, wie heute Mittag.«
    Dann schlug er die Tür hinter sich zu, und die Frau ging kopfschüttelnd die Treppe runter in die Küche zurück. Langsam habe ich den seltsamen Kerl genügend genossen, dachte sie. Irgendwas stimmt nicht mit ihm und dem Mädchen, das angeblich seine Frau war.
    Sie konnte sich ein Urteil darüber erlauben, denn in den zwanzig Jahren, in denen sie dieses kleine Boarding House in der Bayara Street unterhielt, hatte sie eine Menge Erfahrung und auch Menschenkenntnis gesammelt.
    Und dieser Fletcher oder wie der Mann hieß, kam ihr nicht geheuer vor. Schon die Sache mit der Vorbestellung war einigermaßen komisch gewesen, und sie wollte einen Eid darauf ablegen, dass der Mann, der das Zimmer telefonisch bestellt hatte, nicht dieser Fletcher gewesen war.
    Und dann das Verhalten der jungen Frau! Die Angst hatte ihr ja deutlich im Gesicht gestanden, als die beiden hier angekommen waren. Und dann waren sie auf dem Zimmer geblieben, ohne einen einzigen Schritt vor die Tür zu machen.
    In der Küche stellte die Frau die Karaffe auf ein kleines Tablett und fügte dann noch zwei Gläser hinzu. Und dann kam ihr der Einfall, nicht die Haupttreppe nach oben zu nehmen, sondern die Hintertreppe zu benutzen. Sie konnte dann, ohne einen Umweg zu machen, nach dem zerbrochenen Spiegel auf Zimmer 106 sehen und außerdem war es gar nicht so schlimm, wenn dieser Fletcher mal ein paar Minuten warten musste. Jetzt, wo das Haus fast leer war und sie keine Hilfe hatte, sondern alles allein machen musste, ging’s immer noch schneller, als sonst mit Kate.
    Der zerbrochene Spiegel auf 106 ärgerte sie erneut, als sie ihn sah. Aber sie hatte einfach keine Lust, ihn ersetzen zu lassen. Aber was sie am meisten ärgerte, war die Tatsache, dass sie es erst bemerkt hatte, als der Gast schon ausgezogen und über alle Berge war. Wenn sie es ihm wenigstens auf die Rechnung hätte setzen können.
    Sie schlurfte aus dem Zimmer. Als sie an 103 vorbeikam, nahm sie sich in Acht und schlich nur auf Zehenspitzen über den Flur. Sie wollte nicht, dass der Mann, der in diesem Zimmer wohnte, sie hörte, sonst kam er wieder und wollte bestimmt irgendetwas in Ordnung gebracht haben. Und dazu hatte sie jetzt absolut keine Lust mehr!
    Auch als sie schon weit an dem Zimmer vorbei war, ging sie ganz vorsichtig bis 110, und blieb dann einen kurzen Augenblick vor der Tür stehen. Wieder hörte sie das trockene Schluchzen der jungen Frau und eine heiße Welle des Mitleids durchströmte sie. Als sie die harte Stimme des Mannes hörte, hätte sie am liebsten an die Tür geklopft. Aber dann horchte sie doch und als die Stimme lauter und drohender wurde, konnte sie sogar einige Worte verstehen: »Glaub nur nicht, du könntest mich übers Ohr hauen, Puppe. Mich nicht, hörst du! Und wenn du schreist, kriegst du was in den Schnabel, dass du froh bist, wenn du überhaupt Luft genug zum Atmen hast. Und spekulier’ auch nicht darauf, dass ich mal müde werde. Meinst du, die Wäscheleine hätte ich umsonst mitgenommen?«
    Das hässliche Lachen brachte die Frau vor der Tür gänzlich in Rage, aber sie konnte sich nichts Genaues unter den Worten vorstellen. Besonders nicht, was das eigentlich mit der Wäscheleine sein sollte.
    Dann klopfte sie an die Tür und trat gleichzeitig zwei Schritte zurück, dass es aussehen musste, als käme sie von der Treppe. Als der Mann die Tür aufriss, schaute er sie misstrauisch an und riss ihr dann fast das Tablett aus der Hand. Vergebens versuchte sie einen Blick auf die junge Frau zu werfen, denn der Mann schlug ihr sofort die Tür wieder vor der Nase zu.
    Mit schweren Schritten ging die Frau die Treppe hinab und hantierte dann noch eine Zeit lang in der Küche herum. Schließlich fühlte sie, dass sie zu Bett gehen musste, denn eine bleierne Müdigkeit befiel sie plötzlich. Als sie im Bett lag, schlief sie auch sofort ein und

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