0252 - Die Tochter des Totengräbers
sie ebenfalls durch die offene Tür auf den obersten Treppenabsatz schaute.
Dort aber schlug das Grauen voll zurück. Es waren nur Sekunden gewesen, in denen beide ihren angeblichen Sieg hatten genießen können. Die Tatsachen jedoch lagen anders.
Das Skelett war nicht vernichtet. Ein Bleinmantelgeschoß schaffte dies einfach nicht. Es hatte zwar getroffen, war wie ein Hammerschlag gegen den Knöchernen gedröhnt, hatte ihn kraft seiner Fluchtgeschwindigkeit auch umgestoßen, aber nicht vernichten können.
Das Skelett bewegte sich.
Und es stand auf.
Thelma Price drehte fast durch. Sie klammerte sich an ihrem Mann fest, schüttelte den Kopf und flüsterte immer wieder: »Mein Gott, das kann doch nicht wahr sein. Das ist nicht möglich…«
»Still!« zischte Jason.
Er wollte es ja auch nicht glauben, mußte seinen Augen aber leider trauen, denn nicht nur das schreckliche Skelett erhob sich, auch das Mädchen Marion kam auf die Beine.
Sie lächelte, bevor sie sagte: »Ihr müßt uns schon bei euch aufnehmen, denn Sir Jeffries will wieder in sein Haus zurückkehren und nichts kann ihn daran hindern…«
Das war genau der Zeitpunkt, wo Thelma Price in Ohnmacht fiel.
***
War ich überhaupt richtig ohnmächtig gewesen?
Ich konnte es nicht genau sagen, denn irgendwie hatte ich das Gefühl gehabt, am Körper die Griffe widerlicher Hände zu spüren und Berührungen mitzuerleben, die Ekel in mir hochsteigen ließen.
Der Ghoul mußte mich weggeschleift haben. Das sah ich sehr bald bestätigt, als ich die Augen öffnete.
Ich lag an einem anderen Platz!
Unangenehm feucht klebte der Dreck in meinem Gesicht. Ich wollte ihn abwischen, konnte meinen rechten Arm jedoch nicht anheben und mußte feststellen, daß ich gefesselt war. Der Ghoul, oder wer immer es gewesen sein mochte, hatte mir die Hände vor dem Körper zusammengebunden, so daß ich mich erst auf den Rücken walzen mußte, um die Arme anwinkeln zu können.
Für einen Moment blieb ich liegen und atmete durch. War die Luft tatsächlich besser geworden, oder täuschte ich mich da? Zwar lag noch immer der penetrante Leichengestank in der Luft, allerdings nicht mehr so intensiv wie zuvor.
Das ließ mich hoffen.
Noch etwas hatte sich rapide verändert. Es war nicht mehr stockdunkel. Zwar auch nicht hell, aber der Platz, an dem ich mich nun befand, wurde durch einen düsteren Fackelschein erhellt, der allerdings mehr Schatten als Licht zurückließ.
Der Ghoul schien nicht in der Nähe zu sein. Deshalb richtete ich mich auf, und es war auch niemand da, der mich daran hindern wollte.
Soweit es meine augenblickliche Lage erlaubte, wollte ich das Gefängnis inspizieren. Und zwar blickte ich dorthin, wo die Fackel leuchtete.
Sie steckte nicht in einer Erdwand. Im tanzenden und rußenden Schein erkannte ich dicke Mauern und einen eisernen Halter, der die Fackel hielt. Der Ghoul hatte mich in einen Keller oder ein Verlies geschleift, dort gefesselt und liegengelassen.
Für wen?
Es war müßig, sich darüber Gedanken zu machen, denn irgendwann würde er zurückkehren und über mich herfallen. Das stand fest wie das Amen in der Kirche.
Bis dahin mußte ich meine Fesseln losgeworden sein. Ich warf einen Blick auf meine Hände und stellte fest, daß die Gelenke mit einfachen Stricken zusammengebunden waren. Wenn ich mir Mühe gab, mußte ich es schaffen und sie abstreifen.
Es gelang mir, die Hände zur Seite zu drehen. Dort saßen die Knoten, wie ich schwach zu erkennen glaubte. Die Zeit, mich näher damit zu befassen, ließ man mir nicht, denn von der rechten Seite her vernahm ich ein Stöhnen.
Ich saß wie erstarrt da, während über meinen Rücken ein kalter Schauer kroch.
War der Ghoul bereits zurückgekehrt?
Daran wollte ich nicht so recht glauben. Das Stöhnen hatte sich nicht angehört wie das Schmatzen eines Ghouls, sondern hatte sehr menschlich geklungen.
Dort mußte jemand liegen.
Leider reichte der Fackelschein nicht aus, um Details erkennen zu können. Wenn ich etwas sehen wollte, mußte ich mich bewegen. Da der Gegner meine Füße nicht gebunden hatte, konnte ich mich hochstemmen. Einmal kräftig Schwung geholt, und ich stand auf zitternden Beinen, denn plötzlich überfiel mich die Schwäche, und ich mußte mich schon breitbeinig hinstellen, um sie zu überwinden.
Auch das Laufen war nicht so einfach. In meinen Knien wackelte es, als ich die ersten Schritte vorging, um festzustellen, wer das Geräusch verursacht hatte.
Abermals vernahm ich das
Weitere Kostenlose Bücher