0252 - Die Tochter des Totengräbers
Stöhnen. Ein Verdacht keimte in mir hoch, und als ich weiterging, da schälte sich allmählich etwas aus dem düsterroten Zwielicht von tanzenden Flammen und Schatten.
Eine Gestalt lag auf dem Boden. Noch einen Schritt brauchte ich, um sie zu erkennen.
Es war Bill Conolly!
Ich stieß den Namen meines Freundes hervor und ließ mich auf die Knie fallen, um ihn besser und aus größerer Nähe anschauen zu können.
Bill ging es schlecht. Um das festzustellen, benötigte ich nur einen Blick.
Man hatte ihn auf den Rücken gelegt, die Arme und Beine gespreizt und sie mit Stricken an aus dem Boden ragenden Eisenstäben gefesselt, so daß sich der Reporter nicht rühren konnte.
Eine teuflische Methode, jemanden so zu fesseln. Ich kannte sie aus alten Indianerfilmen. Diese Art, einen Gegner auszuschalten, war sehr wirkungsvoll.
Das war längst nicht alles, es ging noch weiter. Bill Conolly lag zwar auf dem Boden, jedoch innerhalb eines Kreises, in den ein Dreieck gemalt worden war.
Ein Teufelszeichen?
Möglich. Ich dachte an die Pyramide des Wissens, in der ich mich einmal befunden hatte. Auch sie stellte ein Dreieck dar, bei ihr jedoch war es zum Guten gewendet, und ich konnte mir vorstellen, daß dieses Dreieck hier dem Bösen geweiht war. Schließlich zeigte die Fratze des Teufels auf zahlreichen Abbildungen ebenfalls die Form eines Dreiecks.
»Bill«, flüsterte ich, »mein Gott, Bill, was hat man mit dir gemacht? Kannst du reden?«
Der Reporter reagierte nicht. Ich schob meinen Oberkörper vor, wobei ich mich über die Linie des Kreises beugte, und augenblicklich spürte ich den Ansturm fremder Kräfte.
Es war kaum zu beschreiben. In mein Gehirn wollten fremde Stimmen eindringen und mich beeinflussen.
Ich zog mich nicht zurück. Dieser Magie wollte ich mich stellen.
Vielleicht konnte ich etwas erfahren.
Da war ein Flüstern und Raunen in meinem Gehirn. Ein seltsames Rauschen, wobei ich mich anstrengen mußte, um überhaupt etwas verstehen zu können.
»Wir kommen frei. Wir sind an der Reihe. Er hat es uns vor dem Tod versprochen. Wenn er zurückkehrt, sind wir frei, dann gehorchen wir ihm allein.«
Es wurde Zeit, daß ich mich zurückzog, denn um die Stimmen konnte ich mich später kümmern. Meine dringlichste Aufgabe lag auf der Hand. Bills und meine Befreiung.
Noch einmal sprach ich meinen Freund an. Er hatte die Augen offen, er mußte mich normalerweise hören.
»Bill, alter Junge, verstehst du mich?«
Ich erhielt keine Antwort, die in Worte gefaßt war. Nur ein schweres Ächzen drang über seine Lippen, so, als würde er unter starken Qualen zu leiden haben.
Mir war längst klargeworden, daß ich mich in einem schwarzmagischen Hexenkessel befand. Ich dachte weiterhin über die seltsamen Stimmen nach, die mich angerufen hatten. Da sollten Geister freikommen. Vielleicht Seelen und keine Ghouls.
War es möglich, daß sich zwei Fälle überlagerten? Und welche Rolle spielte Bill Conolly in diesem teuflischen Kreislauf?
»Okay, Alter«, flüsterte ich. »Warte noch ein wenig, dann hole ich dich raus.«
»John?«
Er hatte gesprochen. Ich war mit dem Lösen meiner Handfesseln beschäftigt, unterbrach die Tätigkeit und schaute zu Bill Conolly hin, der seinen Kopf gedreht hatte.
Das Gesicht meines Freundes schimmerte schwach in der rötlichen Düsternis, die Lippen zuckten, die Augen waren weit aufgerissen. »Sie – sie haben mich fertiggemacht, John.«
»Wer? Die Ghouls?«
»Es gibt nur einen, John. Aber da sind andere. Die Geister der Verstorbenen. Sie befinden sich in diesem Kreis, sie quälen mich, und sie sprechen nur von dem Richter.«
»Wer ist das?«
»Ich kann es dir nicht sagen. Er muß sehr stark sein und ein Testament hinterlassen haben, in dem er alles genau festgelegt hat.«
»Und welche Rolle spielt der Ghoul?«
»Keine bestimmte. Er ist uralt und hat hier schon lange Zeit gehaust. Er dient dem Richter, denn er hat ihn immer versorgt. Der Richter brachte ihm die Leichen.«
Was Bill mir da offenbarte, war verdammt harter Tobak. Jetzt konnte ich mir auch die Knochen erklären, die ich auf meinem Weg hierher entdeckt hatte.
Schlimm…
Ein Ghoul, ein Richter, ein geheimnisvolles Testament, Geister von Toten – da kam einiges zusammen, das wir noch zu einem Mosaik herrichten mußten.
Diese Dinge strich ich erst einmal aus meinem Gedächtnis und kümmerte mich um die Fesseln. Solange ich an den Händen gebunden war, sah es mies aus, denn ich war nur bedingt einsatzfähig. Um
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