0263 - Das Syndikat der toten Seelen
nicht, denn du kannst ja seine Gedanken nicht vor Gericht aus seinen Gehirnfasern zerren. Also was willst du gegen ihn unternehmen? Du kannst gar nichts machen. Sobald er seinen niedlichen, bildschönen Mord endlich ausgeführt hat, kannst du gegen ihn Vorgehen, früher nicht. Das ist die Tragik jedes Staates, wo es ein Recht der Persönlichkeit gibt. Unschuldige darfst du nicht einsperren, und vor cfem Gesetz gilt jeder solange als unschuldig, so lange er nichts Ungesetzliches getan hat.«
»Vorlesung über die Probleme der Verhütung von Verbrechen und die Moral des Rechtsstaates«, sagte Phil ironisch. »Vielleicht können wir diese interessante Diskussion das nächstemal weiterführen. Im Augenblick haben wir ein sehr konkretes Anliegen.«
»Und das wäre?« erkundigte sich-Malloon.
»Wir möchten wissen, ob im Archiv Material über einen gewissen Herbert Laine existiert«, sagte ich.
»Laine? L-A-N-E?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein. L-A-I-N-E.«
»Ich sehe nach«, versprach Malloon und verschwand zwischen den Regalreihen. Wir unterhielten uns mit Creeway, bis Malloon zurückkam.
»Da«, sagte er und legte zwei Karteikarten auf den Tisch. »Das ist Laine. Sein Vorstrafenregister bricht zwar keine Rekorde, aber es kann sich sehen lassen. Früher — das heißt: bis vor etwa einem Jahr — war er oft mit diesem Burschen zusammen, wie aus einem Hinweis auf Laines Karte ersichtlich ist. Ich habe deshalb die Karte seines früheren Komplicen gleich mitgebracht. Da ist sie.«
Er schob uns die zweite Karte hin. Das Bild zeigte einen etwa vierzigjährigen Mann, der sehr intelligent und gepflegt aussah. Sein Name lautete Dean Edwards. Wie man aus einem Vergleich der Vorstrafenregister erkennen konnte, hatte er zweimal zusammen mit Laine im Zuchthaus gesessen wegen räuberischer Erpressung.
Wir notierten uns die wichtigsten Dinge von Laines Karte und machten auch ein paar Notizen von der Karte des anderen. Vielleicht arbeiteten die beiden ja auch in der Kartonagenfabrik zusammen.
Als wif damit fertig waren, gähnte Phil und schlug vor:
»Wie wär’s, wenn wir für heute Schluß machen? Es ist schon zehn, und etwas Dringendes liegt doch nicht mehr an.«
»Mal den Teufel nicht an die Wand«, erwiderte ich, »sonst wird es nicht lange dauern, und die Leitstelle sucht uns. Ich möchte mal wieder richtig ausschlafen. Gute Nacht! Und laßt euch noch ein paar Rätsel für die nächste Nacht übrig!«
Wir verabschiedeten uns von den Kollegen und fuhren nach Hause. Wie so oft, setzte ich erst Phil an seiner Ecke ab, bevor auch ich mich in Richtung Heimat begab. Vor dem Schlafengehen genehmigte ich mir noch einen doppelten Scotch auf Eis, damit ich etwas Bettschwere bekam.
Wenig später war ich auch schon eingeschlafen. Als dann das verdammte Telefon anschlug, hatte ich das Gefühl, daß ich gerade erst eingeschlafen wäre. Ich tastete schlaftrunken nach dem Knipser der Nachttischlampe, schaltete das Licht ein und sah auf den Wecker. Es war kurz vor fünf.
Ärgerlich kroch ich aus dem Bett und tapste ins Wohnzimmer. Ich nahm den Telefonhörer und sagte:
»Cotton! Einen recht schönen guten Morgen. Hier ist ein armer G-man, der sich gern mat ausschlafen möchte. Es sollte in die Charta der Vereinten Nationen auf genommen werden, daß jeder Mensch ein Recht auf seinen Schlaf hat.« Eine unbewegte Stimme drang aus dem Hörer an mein Ohr.
»Leitstelle. Wir rufen im Auftrag der Unfallabteilung der Stadtpolizei. Seit gestern abend ungefähr 8 Uhr wird Leutnant Matthew vermißt. Er ist weder zu Hause noch in seinem Office. Auch von seinem Wagen fehlt jede Spur, Die Frau rief vor einer Stunde in seinem Office an, weil sie sich natürlich Sorgen macht. Sie hatten doch in der Porten-Sache mit Matthew zu tun, Cotton. Wissen Sie, was mit dem Leutnant los sein könnte?«
»Nein«, sagte ich betroffen. »Ich habe nicht den blässesten Schimmer. Aber ich will geteert und gefedert werden, wenn mir sein plötzliches Verschwinden gefällt. Sagen Sie in seinem Office Bescheid. Phil und ich sind in spätestens einer Stunde dort.«
Ich warf den Hörer auf die Gabel. Der Anruf hatte mich . wachgemacht. Eine Minute später stand ich unter der kalten Dusche und ließ die letzten Reste von Müdigkeit von eiskaltem Wasser aus meinem Körper treiben.' Matthew gehörte nicht zu der Sorte, die sich schon mal eine Nacht herumtreibt. Wenn er nicht nach Hause gekommen war, mußte etwas passiert sein. Und der Teufel sollte die Halunken
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