027 - Werwolf in der Nacht
Werwolf stellte die Vorderpranke in seine Magengrube und erstickte jeden Laut. Mein Kommen hatte Sörensen das Leben gerettet. Die Pistole des Mannes lag ein Stück entfernt im Schnee. Er war nicht dazu gekommen, sie zu gebrauchen.
Der Werwolf duckte sich zum Sprung. Ich umklammerte das Bajonett fester, bereit, zuzustoßen und es ihm in die Kehle zu bohren. Da zerklirrte über mir Glas, und Elmar Larsson schrie, erst in Schwedisch, dann in Englisch: »Aus der Schußlinie, Hunter, verdammt, oder ich knalle Sie über den Haufen!«
Er würde nicht zögern, seine Drohung wahrzumachen. Ich sprang zur Seite. Der Werwolf wandte sich zur Flucht und fegte mit langen Sätzen davon. Elmar Larsson fluchte und schoß das Magazin leer, traf aber nicht. Die Kugeln wirbelten nur den Schnee auf.
Kirst und Frost kamen ums Haus herumgelaufen, die Gewehre in den Händen. Sie feuerten auf den Werwolf, aber er war zu schnell, sein Vorsprang schon zu groß.
»Er rennt in den Wald!« schrie Kirst. »Hinterher, Peter!«
Die beiden liefen dem Werwolf nach, der sich schnell dem einen halben Kilometer vom Gutshof entfernten Waldrand näherte. Ein paar Knechte kamen zu mir, Birgit und Olaf Sörensen. Der alte Elmar Larsson fluchte oben im Zimmer im Obergeschoß.
»Verflucht, verdammt, Hunter, Sie Narr! Ich hatte ihn genau vor der Mündung.«
Er hatte einfach die Fensterscheibe eingeschlagen, als er das Fenster nicht aufbekam.
»Tage, trag mich hinunter in die Halle!« hörte ich ihn rufen. »Olaf, du kommst sofort zu mir!«
Wir halfen Olaf Sörensen auf die Beine. Er war geschockt und zitterte an allen Gliedern. Immer wieder stammelte er etwas, was ich dank meiner schlechten Sprachkenntnisse nicht verstand.
Sten Ryjdag, der Verwalter, übersetzte: »Der Werwolf hat ihm die Pistole aus der Hand gerissen. Es ist, als ob die Bestie Verstand hätte wie ein Mensch.«
Olaf Sörensen torkelte ins Gutshaus, wo ihn der alte Larsson erwartete. Die anderen gingen nach vorn in den Hof. Sie standen in Gruppen zusammen und redeten über das Geschehen. Ich sah Aristide Roux und den betrunkenen Boris Schtscherbakow in der Menge. Fast das ganze Gut war zusammengelaufen; auch Gunnar Larsson, die Krogagers und Jens Albin Brantlander waren dabei.
Ich führte Birgit ein Stück von den anderen weg. Feodora Munoz, die sich in aller Eile angezogen hatte, beobachtete uns.
»Was war los, Birgit?«
»Onkel Olaf«, stammelte sie, noch immer unter Schock stehend. »Er … er führte schlüpfrige Reden und faßte mich an. Ich wollte ihm gerade eine Ohrfeige geben, da fegte der Werwolf hinter dem Haus hervor, stieß mich zur Seite und fiel ihn an.«
Gunnar Larsson rief etwas.
»Meiner Mutter geht es schlecht«, sagte Birgit. »Die Aufregung. Ich muß mich um sie kümmern.« Sie lief davon.
Ich ging ins Gästehaus und holte meinen Karabiner sowie die Langlaufskier aus der Kammer im Flur. Ramadutta Ngaresh und die alte Priscilla Larot kreuzten auf und überfielen mich mit Fragen, aber ich hatte keine Zeit für Erklärungen. Als ich aus dem Gästehaus kam, gab es schon wieder eine neue Sensation. Alle standen vor dem Gutshaus. Aus der Halle im Erdgeschoß drangen Schmerzensschreie und die wilden Flüche und Verwünschungen Elmar Larssons.
Ich drängte mich durch die Menge und lief ins Haus. Elmar Larsson raste. Niemand hatte es gewagt, einzugreifen. Olaf Sörensen kroch auf allen vieren in der Halle herum und hielt sich den Leib, in den der Alte ihn mit dem schweren Peitschenknauf geschlagen hatte. Tage Severin, der ungeschlachte Diener, stand mit verschränkten Armen an der Treppe. Birgit hatte sich mit schreckgeweiteten Augen an den Kamin zurückgezogen.
Elmar Larsson schlug wie ein Wahnsinniger auf Olaf Sörensen ein. Der aufgeschwemmte Mann jaulte vor Qual und Angst wie ein geprügelter Hund.
»Du Schwein!« brüllte Larsson. »Hast schon wieder nach Birgits Titten gegrabscht. Lüg nicht! Ich hab's gesehen. Ich hab's dir gesagt, ich schlag dich tot, wenn du das Mädel noch einmal anfaßt. Du verdammter Kinderverführer! Du Sittenstrolch! Du Drecklump!«
Rote Striemen zogen sich über Sörensens Gesicht; sein Hemd war aufgerissen, und Blut tropfte von seinem Rücken. Larsson versuchte in seiner Wut sogar, ihn mit dem Rollstuhl zu überfahren. Ein Rad des Rollstuhls fuhr über Sörensens Hand, und er heulte noch lauter.
Birgit mischte sich ein. Sie wollte dem Großvater die Peitsche entwinden. »Großvater, hör auf, um Gottes willen! Du schlägst ihn ja
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