0270 - Die Panik der Gespensterbande
dass er überhaupt in New York ist.«
Wir machten uns an die Arbeit und setzten den Text eines Fahndungsersuchens auf, ließen es in der Vervielfältigungsstelle abziehen und übergaben es dann unserer Postausgangs-Abteilung mit dem Hinweis, dass es an alle New Yorker Polizeidienststellen zugestellt werden müsste. Damit konnten wir sicher sein, dass es am nächsten Vormittag auf dem Schreibtisch eines jeden Revierleiters landen würde.
Als wir in unser Office zurückkamen, war es halb acht, und wir trugen uns mit der Absicht, für heute Schluss zu machen, denn auch ein G-man muss ab und zu mal ausschlafen. Aber aus dem Feierabend wurde noch nichts. Wir hatten Besuch. Earl Heston saß in unserem Office, paffte dicke Rauchwolken aus seiner kurzen Stummelpfeife vor sich hin und glich einem Kriegsschiff, das sich erfolgreich einzunebeln versucht.
»Hallo, Earl!«, sagte Phil und ging rasch zum Fenster, um es zu öffnen.
»Du hast nicht zufällig dein Office mit unserem verwechselt, nein?«
»No«, erwiderte Heston, und in die Rauchschwaden rings um ihn geriet etwas Bewegung. »Ich habe auf euch gewartet. Ihr habt mir einen Mordfall zugeschanzt, da darf man doch wohl annehmen, dass ihr etwas Interesse an diesem Fall habt?«
»Doch ja«, meinte Phil. »Obgleich unser Hauptinteresse im Augenblick einer lebenden Person gilt. Aber lass dich nicht auf halten! Schieß los! Hast du den Mörder?«
Natürlich war diese Frage nur im Scherz gestellt, aber umso verwunderter waren wir, als Heston nickte.
»Ja«, erwiderte er. »Das heißt: Ich habe seine Beschreibung. Aber das ist ja schon das Wichtigste, denn jetzt kann man ihn suchen lassen. Notfalls mit Hilfe von Fernsehen, Radio und Zeitung.«
»Wie ist euch denn das so schnell gelungen?«, fragte ich erstaunt.
»Im Haus wohnt eine von diesen alten Jungfern, die den ganzen Tag und die halbe Nacht nichts anderes zu tun haben, als ihre Nachbarn zu belauschen Und zu beobachten«, sagte Heston.
»Die hat den mutmaßlichen Mörder gesehen?«, fragte Phil.
»Ja. Wie üblich in solchen Fällen haben wir alle Hausbewohner ein bisschen ausgefragt. Dabei stießen wir auch auf diese alte Jungfer. Ihr hättet das Gesicht der alten Tante sehen sollen, als sie uns erzählte, was für unsittliche Zustände in dem Haus herrschten! Natürlich sah sie überall Gespenster. Für sie ist bereits jeder hoffnungslos dem Teufel verfallen, der zum Abendbrot eine Büchse Bier trinkt. Aber die Krone der Verruchtheit sei entschieden der Ehemann ihrer Nachbarin. Irgendein biederer Werkmeister, der sich offenbar alle zwei Wochen einmal tüchtig besäuselt. Jedenfalls also war der alten Jungfer aufgefallen, dass besagter Werkmeister abends gegen acht Uhr in bereits angeheitertem Zustand noch einmal das Haus verlassen hatte! Nun hatte sie ja keine Ruhe mehr! Sie musste doch unbedingt wissen, wann der Mann nach Hause kam! Also hat sie gewartet. Sie hätte einen sehr leichten Schlaf, behauptet sie. Wenn er irgendwann in der Nacht gekommen wäre, hätte sie am Geräusch der Haustür gehört. Natürlich hat sie sich in ihre Wohnungstür einen Spion einbauen 46 lassen, damit sie den Treppenabsatz überblicken kann. Morgens gegen sieben hörte sie die Haustür. Neugierig eilte sie an das Guckloch in der Wohnungstür. Sie hatte erwartet, den Werkmeister total betrunken hereintorkeln zu sehen. Aber sie hatte sich geirrt. Ein völlig fremder Mann, den sie nie zuvor im Hause erblickt hatte, kam die Treppen herauf und stieg empor zum Dachgeschoss. Er sah so aus…«
Earl Heston wiederholte die Beschreibung, die er von der alten Jungfer erhalten hatte. Als er fertig war, schob ich ihm das Fahndungsersuchen hin, das wir ausgearbeitet hatten. Er überflog es.
»Aber die Beschreibung stimmt ja genau mit dem Mann überein, der morgens diesen Steinweg aufsuchte, den ihr später ermordet gefunden habt!«, rief Heston.
»Ja«, sagte Phil. »Cleamer dürfte also wohl der Mörder sein. Außerdem aber hat Cleamer leichtsinnigerweise seine Fingerspuren bei dem Überfall auf die Bank drunten in Brooklyn und bei dem Einbruch in der Spedition zurückgelassen. Wir wissen jetzt also mit einiger Sicherheit, dass Cleamer erstens Steinwegs Mörder und zweitens ein Mitglied der Gespensterbande ist. Und deswegen lassen wir schon nach ihm fahnden. Von ihm muss die Spur zur ganzen Bande führen. Wir werden ihn nicht gleich verhaften, wenn wir erst einmal wissen, wo er steckt, sondern wir werden ihn so beschatten lassen, dass er
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