0276 - Ghouls in der Stadt
wollen Sie jetzt unternehmen?« fragte Heury. »Erwarten Sie, daß ich ein Sonderkommando zusammenstelle, das diesen Acker restlos umgräbt, um Professor Zamorra zu finden?«
»Das dürfte relativ nutzlos sein«, erwiderte Nicole. »Ich hoffe, daß er noch lebt, und ich muß versuchen, den Fall von einer anderen Seite anzupacken. Ich möchte mit diesem Klaus Neubecker sprechen und mir auch den Friedhof sehr genau ansehen.«
»Ich glaube, daß Neubecker schon abgereist ist, außerdem habe ich ihn verhört«, sagte Heury. »Das, was er wußte, kann ich Ihnen auch sagen.«
»Aber ich verstehe mehr von solchen Dingen – pardon – als Sie, und es kann sein, daß ich ganz andere Fragen stelle.«
»Aber Sie sind doch keine Geisterjägerin! Sie sind doch nur Professor Zamorras Assistentin.«
Da wußte sie, was Heury von ihr hielt. Er unterlag dem typischen Vorurteil, daß eine hübsche junge Frau gefälligst strohdumm zu sein hat. Und Nicole war alles andere als das.
»Es wäre besser, wenn Sie mit mir ebenso zusammenarbeiten würden wie mit Zamorra«, sagte sie etwas schroff.
Gustave Heury grinste mißvergnügt. »Also gar nicht. Mit Verlaub, ich halte von Geisterjägern nichts. Das ist doch alles Unsinn und Scharlatanerie. Ich habe Ihren Chef angerufen, weil man mich darum bat. Aber ich fordere Sie auf, mir bei Ihrem Vorgehen nicht ins Handwerk zu pfuschen. Ich bin Kriminalist, und die Kriminalistik ist eine ernsthafte, seriöse Wissenschaft.«
Nicole winkte ab. Sie sah nicht ein, daß sie sich mit diesem kleinen Polizeichef über Grundsatzfragen streiten sollte. Nur einen kleinen Seitenhieb konnte sie sich doch nicht verkneifen: »Und wie sehr hilft Ihnen diese seriöse Wissenschaft in diesem Fall?«
»Das werden Sie erleben«, knurrte Heury und wuchtete sich hinter seinem Schreibtisch hervor. »Am besten ist, ich zeige Ihnen erst einmal den Friedhof. Dort muß ich ohnehin vorbei. Aber zu Neubecker … na, ich gebe Ihnen die Adresse, wo Sie ihn finden können, wenn er nicht schon abgereist ist.« Er schob Nicole einen Zettel mit einer Anschrift zu.
Zamorras Gefährtin hob die Brauen. Nach allem, was sie wußte, war dieser junge Deutsche fast ein Opfer der Ghouls geworden. Und den ließ man so einfach gehen? Wenn er sich nicht mehr in Fleury befand, schwebte er mit Sicherheit in Lebensgefahr.
Heury bot Nicole an, in seinem Dienstwagen zu fahren. Sie wollte aber beweglich bleiben und rollte im Mercedes hinter ihm her. In der Seitenablage lag Zamorras Kombiwaffe; ihre eigene hatte sie im Hotelzimmer unter die brennende Nachttischlampe gelegt, damit die Solarzellen wieder frische Energie tankten. Damit war sie unabhängig vom ohnehin in ein paar Stunden schwindenden Tageslicht.
Sie fragte sich, wie es Zamorra jetzt erging. Was die Ghouls mit seiner Gefangennahme beabsichtigten. Wollten sie ihn als Druckmittel einsetzen? Aber als solches war Zamorra denkbar ungeeignet. Sie würden schon rechtzeitig merken, was sie sich da für ein Kuckucksei ins Nest geholt hatten.
Der Friedhof sah immer noch furchtbar aus. Die beiden Portale, das kleine und das Haupttor, wurden von Polizisten für die Öffentlichkeit abgesperrt. Zwei Reporter hatte man schon abgewimmelt. Die trieben sich jetzt in Fleury herum und fragten Leute aus, erwähnte der Wachhabende der kleinen Polizistengruppe.
Nicole sah sich um. Sie zog ein Notizheft und einen Kugelschreiber hervor und begann eine Skizze zu entwerfen. Da man die von den Ghouls aufgerissenen Löcher noch nicht wieder zugeschüttet hatte, fiel ihr das nicht sonderlich schwer. Sie ließ sich auch zeigen, wo der Totengräber ermordet worden war.
»Haben Sie mal einen Stadtplan da, Monsieur Heury?« forderte sie schließlich.
Damit konnte der Polizeichef ihr dienen. Er faltete die Karte auf der Motorhaube des Mercedes auseinander. Nicole orientierte sich und legte ihre Skizze an, übertrug sie auf den Stadtplan, ohne Heury vorher zu fragen. Dann suchte sie die Stelle, wo Zamorra und sie überfallen worden waren. Es war gar nicht weit entfernt, nur eben auf der Hauptstraße, während sich der Friedhof an einer Nebenstraße befand. In der Luftlinie war das aber eher unbedeutend.
»Und was wollen Sie jetzt mit dieser Zeichnung?« fragte Heury gespannt.
Nicole lächelte. »Ist eigentlich keinem von Ihnen die Idee gekommen, Zusammenhänge zu suchen?« fragte sie. »Schauen Sie, die Öffnungen hier im Friedhofsbereich sind wie die Knotenpunkte eines Spinnennetzes. Geradezu regelmäßig
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