0276 - Ghouls in der Stadt
Zamorra mußte sich etwas einfallen lassen.
»Du weißt, wer ich bin«, sagte er.
Der Krötendämon nickte. »Natürlich. Jeder kennt dich. Aber jetzt endet dein Weg. Finde dich in dein Schicksal. Sanguinus wird es dir bereiten.«
Er packte zu und umschloß Zamorra wieder mit seiner Pranke. Der Parapsychologe versuchte das Amulett zum Angriff zu überreden. Aber es verweigerte ihm den Dienst. Der Krötendämon wirbelte seinen Gefangenen empor.
»Sprich deinen letzten Fluch«, sagte er. »Bald ist es soweit.«
Zamorras Gedanken überschlugen sich. Wenn er hier und jetzt Sanguinus gegenübertreten mußte, war er verloren. Er mußte zumindest versuchen, Zeit zu gewinnen. Vielleicht ließ sich die Hölle mit einem Trick überlisten. Wenn man einen Teufel gegen den anderen ausspielte …
»Sanguinus«, sagte er und spie aus. »Traut sich Asmodis nicht selbst an mich heran, daß sein lausiger Stellvertreter beauftragt werden muß, sich mit mir zu befassen? Fürchtet Asmodis mich etwa? Nun, seit unserer letzten Begegnung in den Felsen von Ash’Naduur dürfte er auch allen Grund dazu haben …«
Immerhin hatte Asmodis dort seine rechte Hand verloren, und ohne Merlins Eingreifen hätte Zamorra ihn töten können. Warum Merlin es verhinderte, war Zamorra nur in groben Umrissen klar. Es gab da so etwas wie ein kosmisches Gleichgewicht zwischen Gut und Böse, das gewahrt werden mußte …
»Was geht’s mich an, ob Asmodis dich fürchtet oder nicht?« kicherte der Krötendämon. »Ich habe beschlossen, daß ich dich zu Sanguinus bringe, und dabei bleibt es.«
»Narr«, sagte Zamorra. »Asmodis wird dich vernichten, wenn er erfährt, wen du ihm vorenthalten hast. Willst du Asmodis um den Versuch bringen, sich für den Verlust seiner Hand zu rächen?«
Die Riesenkröte kicherte wieder.
»Mir scheint, du brennst geradezu darauf, Asmodis gegenüberzustehen. Du hast einen Trumpf in der Hinterhand. Aber ich bin Asmodis treu ergeben. Ich werde nicht zulassen, daß du ihm schadest. Erprobe deine Kräfte an Sanguinus, und jetzt halt’s Maul.«
Er machte einen Sprung seitwärts und verschwand mit Zamorra in einen anderen Teil der höllischen Sphären.
***
Das glühende Metallstück verfehlte Henri Dupont nur um wenige Zentimeter. Er sprang zur Seite. Scheppernd prallte es dort auf, wo er gerade noch gestanden hatte.
Er atmete tief durch. Sein Wagen war hin, der Ghoul aber auch. Überall in den Fenstern erschienen jetzt Gesichter. Menschen, die erbost wissen wollten, was diese Explosion zu bedeuten hatte.
Aber Dupont hatte kein gesteigertes Interesse daran, jetzt ins Rampenlicht zu geraten. Der Wagen brannte aus, das Feuer konnte sich nicht ausbreiten, das war alles. Wie ein Schatten wieselte der junge Maler an der Hauswand entlang und verschwand im Dunkel der Nacht. Als er außer Sichtweite der Schaulustigen war, blieb er stehen.
Was sollte er jetzt tun?
Wo ein Ghoul war, konnten auch mehrere sein. Vielleicht warteten sie schon überall in den Straßen. Oder sie lauerten im Haus. Er dankte dem Allmächtigen, daß es leer war. So konnten keine anderen unschuldigen Opfer getötet werden.
»Ich muß die Polizei alarmieren«, sagte er leise.
Er wußte, wo sich das nächste Telefon befand. Zügig schritt er aus. Er kämpfte die Schwäche nieder, die an ihm zerren wollte. Er durfte sich jetzt nicht gehenlassen. Er hatte den Angriff überlebt, und es war seine Pflicht, dafür zu sorgen, daß etwaigen weiteren dieser teuflischen Kreaturen das Leben schwer gemacht wurde.
Ghouls!
Es war unfaßbar. Aber er wie die anderen Menschen in Fleury-sur-Loire mußten sich mit den Gegebenheiten abfinden. Er fand die Telefonzelle und benutzte den Notruf. Hastig gab er sein Erlebnis durch und die Vermutung, daß überall im Ort Leichenfresser auftauchen konnten.
Der Polizist, mit dem er sprach, lachte heiser.
»Wir tun, was wir können«, sagte er, »aber wir können nicht überall sein. Die meisten unserer Leute bewachen den Friedhof. Ich kann da eigenmächtig niemanden abziehen, und Monsieur Heury, unser Chef, ist derzeit unauffindbar. Am besten ist es, Sie warnen Ihre Nachbarn. Tragen Sie Sorge, daß Türen und Fenster geschlossen sind und …«
»Das nützt nichts«, unterbrach Dupont. »Die Ghouls sprengen jede Tür auf.«
»Dann weiß ich auch nicht, was wir tun können. Sobald es möglich ist, schicke ich einen Streifenwagen.«
Es klickte in der Leitung. Langsam hängte auch Henri ein. Er wußte jetzt, daß er keine Hilfe
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