0277 - Im Penthouse der Angst
reagieren.
Während er seine Hand hochhob, hatte ich bereits die Kette über den Kopf gestreift, hielt das Kreuz in der Hand und schleuderte es ihm entgegen.
Im ersten Augenblick sah es aus, als wollte er noch zur Seite springen, doch das Laden des Blasrohrs nahm zuviel Zeit in Anspruch, und er kam nicht richtig weg.
Mein Kreuz traf!
Silber hat sein Gewicht, es ist schwer. Es schlug ihm das Blasrohr aus der Hand. Das Kreuz bekam er ins Gesicht.
Ein kurzer, abgehackter Schrei gellte mir entgegen. Es gelang ihm sogar noch in einer Reflexbewegung, das Kreuz aufzufangen, dann verlor er die Balance und kippte zu Boden.
Wie im Krampf hielt er meine Waffe fest, und dies war sein Verderben.
Er begann fürchterlich zu schreien. Dazwischen hörte ich dumpfe Laute, und als ich näher kam, sah ich, was geschehen war.
Der rechte Arm schien sich selbständig gemacht zu haben. Aus der Faust schaute das Kreuz, und ich sah, wie der Arm nach oben zuckte und wieder zu Boden schlug.
Dies in Sekundenschnelle. Er hackte auf den Teppich, zuckte wieder hoch, schlug abermals nach unten und veränderte sich dabei. An einen Angriff dachte der Schwarze nicht mehr. Die Magie meines Kreuzes hatte ihn zusehends geschwächt.
Auch der Kopf kam hoch. Es sah so aus, als wollte mich der Mann anspringen, dann fiel er zurück, blieb auf dem Rücken liegen, und die Schläge hörten sich dumpfer an als vorhin.
Dafür hatte ich eine Erklärung. Meiner Ansicht nach mußte sich der Arm verändert haben. Er war nicht mehr menschlich, sondern war zu einem leblosen Gegenstand geworden.
Der Schwarze riß den Mund so weit auf, daß fast sein Unterkiefer ausgerenkt wurde. Ich schaute in die rosafarbene Höhle und hörte ihn sprechen.
»Shokasta!« gurgelte er. »Shokasta läßt mich sterben. Er läßt mich sterben…«
»Wer ist Shokasta?«
»Der Meister.«
»Wo ist er?«
»Überall…«
»Das geht nicht. Sag mir den Platz!« forderte ich ihn auf. Die Zeit drängte, denn ich merkte, daß es mit ihm allmählich zu Ende ging.
»Das Haus ist Shokasta. Sein Geist, seine Gedanken, sein Wille… ich … ich habe versagt. Deshalb läßt er mich sterben. Er läßt alle sterben, die versagt haben. Der Fetisch raubte mir die Seele und die Säfte aus dem Körper. Er macht alles, er ist Shokastas Machtinstrument. Er wird mich in die Hölle …«
Das Wort Hölle war das letzte, was ich aus dem Mund des Mannes vernahm. Es sei denn, ich zählte noch einen Satz hinzu.
»… da waren es nur noch sieben …«, hauchte er, hob seinen Kopf noch mal an und ließ ihn zurückfallen. Der Laut, der da entstand, als der Hinterkopf auf den Teppich schlug, hatte einen dumpfen Klang.
Ich dachte an die letzten Worte des Mannes. Shokasta hatte ihm nicht nur die Seele geraubt, sondern auch die Säfte.
Was hatte er damit gemeint? War sein Körper ausgetrocknet? Ich fühlte nach.
In der Tat merkte ich es unter meinen Fingerspitzen. Das war keine normale Haut, sondern ein holziges Gewebe, hart und widerstandsfähig.
Die weißen Augen in dem Gesicht wirkten auf mich wie zwei helle, jetzt tote Kugeln.
Ich nahm ihm das Blasrohr aus der Hand und schaute es mir an.
Es war ein dünnes Rohr und bestand aus sehr widerstandsfähigem Bambus. Mit zwei Fingern zupfte ich einen Pfeil aus dem Köcher.
Schwarze Federn hatte auch dieser Pfeil. Mit Daumen und Zeigefinger strich ich darüber. Irgendwie stellte ich ein Kribbeln fest, das seinen Ursprung innerhalb der Federn hatte.
Magie!
Eine andere Erklärung gab es für mich nicht. Diese Federn waren magisch aufgeladen. Vielleicht stellten sie sogar die Verbindung zwischen diesem geheimnisvollen Shokasta und seinen Dienern her.
Möglich war auf jeden Fall alles.
Aber wer war dieser Shokasta? Und vor allen Dingen, wo hielt er sich versteckt?
Zehn Etagen hatte das Haus. Hinzu kam sicherlich ein Keller.
Und in den Etagen befanden sich mehrere Wohnungen. Wenn ich die nur überschlug und durchsuchen wollte, würde verdammt viel Zeit draufgehen. Zwangsläufig fiel mir das Lied von den kleinen Negerlein ein.
… da waren es nur noch sieben, hatte er gesungen!
Zehn minus drei!
Also konnte ich davon ausgehen und mich darauf einrichten, es mit so vielen Gegnern zu tun zu haben, die sich wahrscheinlich im Haus versteckt hielten und hier natürlich alle Möglichkeiten hatten, sich Geiseln zu nehmen, sollte es eine große Auseinandersetzung geben. Davor fürchtete ich mich. Ich dachte an die Menschen, die von alledem nichts ahnten.
Und ich
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