Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
028 - Zimmer 13

028 - Zimmer 13

Titel: 028 - Zimmer 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
darum sehr auf diesen Tag. Auf dem Bahnhof mußte er einige Zeit warten, da der Zug Verspätung hatte. Zerstreut betrachtete er das unaufhörliche Getriebe in der großen Halle, bis ihm ein Mann in seiner Nähe auffiel, das heißt, er spürte ihn zuerst mehr, als daß er ihn bewußt wahrnahm. Mit dem sechsten Sinn, der dem guten Geheimpolizisten wie dem Gesetzesbrecher in gleicher Weise eigen ist, wußte er, daß der schäbig gekleidete Fremde ihn im Auge hatte, obwohl er ihn gar nicht anzusehen schien. Bald erkannte er in ihm einen Sträfling aus Dartmoor, der zusammen mit Fenner und für das gleiche Vergehen ins Gefängnis gekommen, bald nach Jonnys Ankunft jedoch entlassen worden war.
    »Ich bin Ihnen bis hierher nachgegangen, Mr. Gray, wollte Sie aber nicht auf der Straße anreden.« Der Mann tat, als wäre er in die Zeitung vertieft, und sprach, fast ohne die Lippen zu bewegen.
    Jonny wartete und fragte sich, was er ihm wohl mitzuteilen hätte, zweifelte aber nicht, daß es mit Fenner zusammenhängen würde.
    »Fenner ist von Legge 'reingelegt worden. Er wollte sich etwas Silber aus einem Haus am Berkeley Square holen, und Shilto erwartete ihn in der Vorhalle.«
    »Woher wissen Sie, daß Legge ihn hereingelegt hat?« fragte Jonny.
    »Es war regelrechte Angeberei«, beteuerte der andere, ohne eine weitere Erklärung zu geben. »Wenn Sie für Fenner ein gutes Wort einlegen könnten, wäre er Ihnen sehr dankbar.«
    »Aber, lieber Freund, bei wem kann denn ich ein gutes Wort einlegen? Wenn es sich um meine leibliche Tante handeln würde, könnte ich unter diesen Umständen nichts für sie tun.« Jonny sah auf, ein Aufblitzen in seinen Augen, und hastig schloß er: »Ich will aber trotzdem sehen, was sich machen läßt.«
    Ein schneller Seitenblick - der lichtscheue Geselle begriff und verschwand ohne weitere Aufforderung.
    Jonny ging mit großen Schritten auf Marney zu und ergriff, ohne vorerst von Peter Kane Notiz zu nehmen, ihre beiden Hände.
    Als er sie in ein Taxi gesetzt hatte, winkte ihn Peter beiseite.
    »Dieses Highlowdinner ist mir gar nicht geheuer. Liebesmähler sind nicht Emanuels Spezialität, und von irgendeiner Seite wird ein Schlag erfolgen. Ich hoffe, du bist darauf vorbereitet, Jonny?«
    »Ich weiß nicht«, meinte Jonny, »das Ganze ist zu plump und klar, als daß ich etwas anderes erwarte als einen Versuch, die Angelegenheit mit Marney wieder ins reine zu bringen.«
    »Da ist nichts ins reine zu bringen!« fuhr Peter auf. »Hat er Bigamie begangen, muß er es ausbaden, verstehst du? Das wird unangenehm sein, weil Marney ins Gerede kommt, aber ich will die Sache durchfechten.« Er wandte sich zum Gehen und winkte mit der Hand.
    Jonny stieg zu Marney ins Taxi. Der Wagen fuhr an.
    »Was ist mit Papa?« fragte sie. »Er ist schon die ganze Zeit so still und nachdenklich. Wahrscheinlich macht er sich meinetwegen Sorgen. Das sollte er nicht. Ich bin nie glücklicher gewesen.«
    »Warum?« wollte Jonny wissen.
    Eine leichte Röte stieg ihr ins Gesicht.
    »Weil ... Nun, zunächst einmal, weil ich unverheiratet bin. Der Gedanke war mir furchtbar, Sie wissen nicht, wie furchtbar, Jonny! Aber ich verstehe jetzt, warum Papa so ängstlich darauf bedacht war, mich in eine ehrbare Gesellschaft zu verheiraten. Was dabei herausgekommen ist, hat eigentlich mehr eine komische Pointe. Ich weiß nicht, ob Sie das unmoralische Gefühl der Wichtigkeit verstehen können, das mich überkam, als ich von Papas zahlreichen ungesetzlichen Taten hörte!«
    »War es nicht auch ein schwerer Schlag für Sie, Marney?«
    »Ja, natürlich, es tut weh, auf einmal die Dinge anders sehen zu müssen. Aber ich glaube, als ich erfuhr ...« Sie brach ab.
    »Als Sie erfuhren, daß ich ein Dieb war, nicht?«
    »Ach, Jonny, warum hatten Sie es getan? Sie waren ein bevorzugter Mensch, ein Gentleman mit Universitätsbildung. Papa ist viel eher zu entschuldigen. Er hat mir von seiner Jugend, seinen Kämpfen, seinem harten Leben erzählt. Ihnen standen ganz andere Wege offen.«
    Er schwieg. Sie seufzte schnell und legte ihre Hand auf seine.
    »Ich bin nicht gekommen; um Sie zu belehren, und ich will Sie nicht einmal fragen, ob Sie in Zukunft um meinetwillen auf dem rechten Weg bleiben wollen. Ich bin auch keine Märchenfee, die Sie vor sich selbst schützen will.«
    »Ich bin besser geschützt als Sie ahnen.« Jonny lächelte seltsam. »Sie haben vollkommen recht - es gab keinen plausiblen Grund für mich. Ich war ein Opfer der Verhältnisse.

Weitere Kostenlose Bücher