0289 - Rendezvous mit Handgranaten
mich im Schlaf zu überraschen.
Der Arzt erzählte mir, daß die Polizisten eine Untersuchung vornehmen wollten, von welcher Stelle aus die Schüsse abgefeuert worden waren. Sie glaubten, auf diese Weise den Schützen entdecken zu können.
Ich teilte ihre Meinung nicht. Auf dem viereckigen Platz standen einige Bäume, die hoch genug waren, um von dort aus in die Fenster der ersten Etage des Hotelbaus blicken zu können, und es war nicht schwierig, einen der Bäume zu erklettern. Ransun würde wohl einen von ihnen als Schießstand ausgesucht haben. Zu meinem Glück stand der nächste Baum, der in Frage kam, in mehr als vierzig Yard Entfernung, und Senhor Ransun schien kein großartiger Schütze zu sein, obwohl er andererseits auch nicht mehr als zwei Handbreit vorbeigeschossen hatte. Wie er allerdings an das Gewehr gelangt war, wußte ich auch nicht. Denn ein Gewehrschuß mußte es gewesen sein.
Die Polizisten setzten mir mit Fragen zu, warum auf mich geschossen worden sei. Ich ließ durch den Arzt antworten, ich könnte es mir nicht erklären, und ich hätte auch keine Ahnung, wer der Schütze gewesen sei. Ich versuchte, ihnen einzureden, es handele sich wahrscheinlich um eine Verwechselung.
Die Polizisten waren ratlos. Sie stellten die gesamte Polizeistreitmacht von Dalagos dar, allerdings ohne ihren Kommandanten, einen Sergeanten, der, wie der Doc mir erzählte, Urlaub hätte. Die Polizisten wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Sie waren unsicher und daher mißtrausch, und zeitweise sah es so aus, als hielten sie es auf jeden Fall für richtig, mich zunächst einmal einzusperren.
Zum Glück hatte Ernest Hatways Sekretär mir vor der Abreise von der brasilianischen Botschaft einen Schrieb besorgt, in dem stand, daß ich in einer wichtigen Angelegenheit unterwegs wäre, und daß alle Behörden mich nach Kräften unterstützen sollten. Das Schreiben besänftigte das Mißtrauen der Uniformierten. Sie verließen das Hotel, nachdem sie noch mein Zimmer in Augenschein genommen hatten, um sich nach dem Schützen umzusehen. Auch die anderen verliefen sich. Ich dankte dem Arzt, tröstete den jammernden Wirt mit einem Zehn-Dollar-Schein, ließ mir eine Kerze geben und ging in mein mit Glassplittern übersätes Zimmer zurück.
Tja, da stand ich nun, den Colt mit nur noch fünf Kugeln in der rechten Hand, die Tasche, angekettet an mein Handgelenk.
Draußen dämmerte der Morgen. Ereignislos war die Nacht nicht vorübergegangen, aber wenn ich es mir richtig überlegte, so war doch nicht mehr passiert als in Rio de Janeiro, nur daß der dollarsüchtige Senhor Alfonso dieses Mal etwas härtere Mittel angewandt hatte. Von Lilian Hatways Entführern hatte ich immer noch nichts zu sehen bekommen.
***
Die Frau fiel mir auf, als sie mit schnellen, energischen Schritten den Platz überquerte.
Ich saß beim Frühstück. Der Hotelwirt hatte einen Tisch auf .die Terrasse gestellt, die vor der Hotelfront entlanglief. Die Frau sprang die wenigen Stufen hoch und kam an meinen Tisch.
Sie trug eine khakifarbene Bluse, Breeches-Hosen und Schnürstiefel. Auf dem Kopf hatte sie einen breitkrempigen Hut, den sie jetzt abnahm.
Sie hatte schwarzes, streng geschnittenes Haar, ein energisches, nicht mehr junges Gesicht.
»Sie sind Harper?« fragte sie knapp. Ihre Stimme hatte eine dunkle Färbung. Ohne Zweifel war sie eine schöne Frau, aber es gab einige Fehler in ihrem Gesicht, um es wirklich anziehend zu machen. Der Mund war zu schmal, das Kinn zu energisch und der Ausdruck der Augen lauernd und mißtrauisch. Langsam stand ich auf.
»Ja, das bin ich«, antwortete ich. »Mit wem habe ich das Vergnügen?«
»Das tut nichts zur Sache. Ich erwarte Sie in zehn Minuten an der Sägemühle. Sie brauchen nur diese Straße geradeaus zu gehen.«
»Was soll ich an der Sägemühle?« Sie zeigte auf die Dollartasche, die neben mir stand.
»Ihre gefährliche Last abgeben. Ich hoffe, Sie werden glücklich darüber sein. Ich hörte, man hat heute nacht auf Sie geschossen.«
»Sie sind gut informiert. Wenn Sie warten wollen, so gehe ich gleich mit. Ich habe keinen Koffer zu packen. Ich muß nur zahlen.«
Sie zuckte die Schultern. »Meinetwegen, aber beeilen Sie sich. Ich lege keinen Wert darauf, mit Ihnen gesehen zu werden.«
Ich rief die Wirtstochter, während die Frau die Terrasse verließ und langsam den Platz überquerte. Ich drückte dem Girl ein paar Dollarnoten in die Hand, flüsterte ihr rasch einige Sätze zu, von denen ich
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