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029 - Der Unheimliche

029 - Der Unheimliche

Titel: 029 - Der Unheimliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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aufnehmen, aber der Unheimliche rief sie nicht, obgleich er immer noch da war. Dann mußte sie einen Briefordner in das Zimmer bringen, das früher Maurice Tarns Büro gewesen war, und als auf ihr Klopfen die sanfte Stimme Feng Hos »Herein!« rief, fühlte Elsa doch einen leichten Schmerz. Aber nichts in diesem Zimmer erinnerte mehr an den unglückseligen Mann, der ein so schreckliches Ende gefunden hatte.
    Feng Ho saß vor einem niedrigen Tisch, der mit Pinsel und Tuschebehälter bedeckt war. Der Chinese hatte statt der europäischen Kleidung eine schwarzseidene Jacke angezogen.
    »Guten Tag, Miss!« begrüßte er sie mit freundlichem Grinsen. Elsa wußte nicht, was sie dazu trieb, aber sie mußte Feng Ho eine Frage stellen. Nichts hatte ihr beim Eintritt in dieses Zimmer ferner gelegen, doch diese Tage schienen besonders spannungsgeladen zu sein.
    »Feng Ho, haben Sie Mr. Tarn getötet?« Elsa war selbst entsetzt über die Brutalität ihrer Frage.
    Der kleine Mann war jedoch weder aus der Fassung gebracht noch schien er beleidigt zu sein.
    »Miss Marlowe, es ist schon sehr lange her, daß ich Menschen getötet habe«, antwortete er gelassen. »Ich mußte damals einige Banditen ins Jenseits befördern, weil sie sehr grob gegen meinen ehrwürdigen Vater gewesen sind - sie hatten ihm den Hals mit einem scharfen Instrument durchgeschnitten.«
    »Ich weiß wirklich nicht, warum ich Sie gefragt habe.« Elsa hätte vor Ärger über ihre Dummheit weinen können.
    »Verzeihen Sie, Miss, aber das klingt sehr unglaubhaft. Woher sollten Sie wissen, daß ich es nicht doch getan habe? Wenn ich meinen alten Vorgänger getötet hätte, ist es doch sehr unwahrscheinlich, daß ich vor offiziellen Ohren die Tat gestanden hätte. Selbst ein Bachelor of Arts wird nicht die Wahrheit sagen, wenn er anschließend dafür gehängt wird!«
    Das war logisch. Elsa wußte, daß Feng Ho über ihre Unterhaltung mit dem Major reden würde, und deshalb benutzte sie die erste Gelegenheit, ihm zuvorkommen und selbst Amery darüber zu berichten.
    »Sind Sie immer noch der Meinung, daß Feng Ho anwesend war, als Mr. Tarn starb?«
    »Ich bin dessen vollkommen sicher, Mr. Amery.«
    »Und doch haben Sie es der Polizei nicht gemeldet? Erst nach dem Auffinden des Hutes konnte man ihn mit dem Verbrechen in Zusammenhang bringen«, fügte er hinzu, »der Polizeibeamte hat ihn gesehen.«
    »Und Sie sahen ihn auch!« rief sie anklagend.
    Er blickte auf und schaute sie mit halbgeschlossenen Augen an.
    »Wie kommen Sie dazu, das zu behaupten?«
    »Sie waren nach dem Mord zur Stelle. Wenn es Feng Ho war, den ich im Zimmer gesehen habe, ist er sofort zu Ihnen gegangen, und Sie haben ihn gesehen.«
    »Selbstverständlich habe ich ihn gesehen«, gab er fast belustigt zu. »Und doch ist es sehr seltsam, daß kein Polizeibeamter meinen Besuch mit Feng Ho in Zusammenhang gebracht hat. Sie müßten in Scotland Yard sein, Miss Marlowe. Übrigens«, schweifte er ab, »haben Sie manchmal Zahnschmerzen?«
    Elsa schaute ihn verwundert an.
    »Zahnschmerzen, Major Amery? Nein - warum?«
    »Ich wollte Ihnen ein Mittel empfehlen, das viel besser ist als das sehr gefährliche Laudanum.«
    Elsa runzelte die Stirn.
    »Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen. Ich habe noch nie etwas von Laudanum gehört.«
    Zum zweitenmal an diesem Tage sah sie ihn lächeln.
    »Sie sind sehr argwöhnisch, Miss Marlowe. Ich bin doch ganz froh, daß Sie gehen«, bemerkte er statt einer Erklärung.

27
    Als Elsa am Sonnabend morgen den Umschlag mit ihrem Gehalt erhielt, öffnete sie ihn mit einem Gefühl der Erleichterung aber auch des Bedauerns. Obwohl der Unheimliche wieder in seine schweigsame Art zurückverfallen war, fand sie ihn jetzt erträglicher, und jeden Tag entdeckte sie etwas Neues an ihm, das ihn interessanter machte.
    Aus der Abrechnung ersah sie, daß man ihr einen ziemlich hohen Betrag für Überstunden gezahlt hatte. Fast wünschte Elsa, daß sie diese Extraarbeit unentgeltlich gemacht hätte - warum, konnte sie sich selbst nicht erklären.
    Sie räumte aus den Kästen ihre Privatsachen zusammen, und als es ein Uhr wurde und damit die Stunde ihres Abschieds gekommen war, empfand sie doch ein sonderbares Gefühl der Wehmut. Wegen ihrer Zukunft brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, Tarn hatte ihr genügend hinterlassen - sie war nicht mehr darauf angewiesen, Geld zu verdienen. Leise klopfte sie an Amerys Tür und trat ein.
    Er ging im Zimmer auf und ab, doch bei ihrem Erscheinen

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