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029 - Der Unheimliche

029 - Der Unheimliche

Titel: 029 - Der Unheimliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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blieb erstehen, drehte sich um und sah sie fragend an:
    »Nun?«
    »Ich gehe jetzt«, sagte sie.
    »Ja, selbstverständlich, es ist ja Sonnabend. Vielen Dank, Miss Marlowe! Am Montag will ich die Nang-Po-Korrespondenz vornehmen. Erinnern Sie mich daran, wenn die chinesische Post eintrifft . . .« Elsa lächelte.
    »Ich werde nicht mehr hier sein, um Sie daran zu erinnern, Major Amery.« Er war erstaunt.
    »Und warum nicht?«
    »Weil - ich verlasse Sie heute, das wissen Sie doch.«
    »O ja, natürlich.« Er hatte es vergessen. Dann fragte er: »Wann ist die vertagte Gerichtsverhandlung?«
    »Am Montag.«
    »Es ist besser, wenn Sie Ihr Ausscheiden auf nächsten Sonnabend verschieben«, verfügte er. Aus einem ihr unverständlichen Grund freute Elsa sich über die Aufforderung, aber ihr Stolz wollte es nicht zugeben.
    »Ich habe mich auf heute eingerichtet«, leistete sie noch Widerstand, aber Amery erklärte kurz:
    »Und ich habe mich darauf eingerichtet, daß Sie erst nächsten Sonnabend gehen! Ich kann mich nicht mit einer Frau abfinden, die Bombay mit zwei ›m‹ schreibt. Danke!«
    Mit einem Kopfnicken, das sehr viel freundlicher war als sonst, entließ er sie, und Elsa kehrte voll gemischter Gefühle in ihr Zimmer zurück. Dann aber überlegte sie, während sie sich wieder einrichtete, daß es auf eine Woche mehr oder weniger nicht ankäme und daß es vielleicht wirklich besser sei zu bleiben, bis die Gerichtsverhandlung vorbei war.
    Die Verhandlung war Elsa Marlowe ein Gräuel, obwohl sie nicht mehr als Zeugin vernommen werden sollte. Glücklicherweise war nach zwei Stunden alles vorbei, und das Urteil der gelangweilten Geschworenen lautete: ›Mord, begangen von einer oder mehreren unbekannten Personen‹
    Sie hatte Ralf im Gerichtssaal nicht gesehen, obwohl er eine halbe Stunde lang im Hintergrund des Zuschauerraumes gestanden hatte. Ins Büro kam sie noch rechtzeitig, um Major Amery den Tee zu bringen. Anscheinend hatte er nichts dagegen einzuwenden, daß sie zusah, wie er schnell die kleinen Streifen in Tee und Milch tauchte.
    »Wie war es auf dem Gericht?« fragte er, als sie hinausgehen wollte.
    »Die Geschworenen fällten das gewöhnliche Urteil«, berichtete sie. »Major Amery, glauben Sie, daß der Mörder jemals gefunden wird?«
    Er zuckte die Achseln. »Schwer zu sagen. Haben Sie übrigens Freund Hallam gesehen?«
    »Nein«, versetzte Elsa, bevor ihr die Ungehörigkeit der Frage bewußt wurde. »Er rief mich nur gestern einmal an, um etwas zu fragen.«
    »Haben Sie etwa meinen Scherz über die Zahnschmerzen erwähnt?«
    »Zahnschmerzen? Ach, Sie meinen das Laudanum? Selbstverständlich nicht. Wie käme ich dazu!«
    Amery schaute auf seine Teetasse und bemerkte:
    »An Ihrer Stelle würde ich es auch nicht tun. Werden Sie im Hotel bleiben?«
    Elsa schüttelte den Kopf.
    »Nein, das ist zu teuer. Ich will eine Woche bei einer Freundin verbringen. Während der Zeit suche ich mir eine neue Wohnung. Die Polizei hat heute Mr. Tarns Haus freigegeben, und ich will abends meine Sachen heraussuchen. Dann wird mein Anwalt die Möbel einem Auktionator übergeben. Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich heute abend pünktlich gehen.«
    »Sie können sofort gehen, Miss Marlowe. Weiß Hallam, daß Sie heute zum letztenmal Elgin Crescent aufsuchen?«
    Elsa machte ein ernstes Gesicht, denn sie fand Amerys Fragen wirklich unpassend.
    »Warum sollte er es wissen? Er ist zwar ein guter Freund von mir, aber so unentbehrlich ist Dr. Hallam mir nicht, daß ich ohne ihn nicht auskommen könnte. Warum erwähnen Sie ihn immer wieder, Major Amery?«
    »Weil es mir Spaß macht«, war die rätselhafte Antwort.
    Bis jetzt hatte Elsa Ralf Hallam noch nie spaßhaft gefunden.
    Als sie in Elgin Crescent ankam, wartete ein Angestellter des Rechtsanwaltes auf sie, und Elsa war froh, daß sie nicht allein im Haus sein mußte. Die Wohnung sah schmutzig und verlassen aus, und es war bedrückend, ihre kleinen Habseligkeiten zusammenzusuchen. Tarns Arbeitszimmer sah am schlimmsten aus. Augenscheinlich war es gründlich durchforscht worden, denn die Bücher waren von den Regalen genommen, Tische und Stühle verrückt und der Teppich aufgerollt. Elsa war froh darüber, denn der gegenwärtige Zustand erinnerte kaum noch an das Heim, das sie jahrelang bewohnt hatte.
    Sie hatte einen Koffer gepackt und ging in die Rumpelkammer, um eine hölzerne Kiste hervorzuholen, die sie auf ihren jährlichen Ferienreisen benutzt hatte. Eigentlich waren es

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