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029 - Der Unheimliche

029 - Der Unheimliche

Titel: 029 - Der Unheimliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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wollte noch etwas erwidern, unterließ es dann doch und ging hinaus.
    Eine Viertelstunde saß Mr. Tupperwill vor Wut kochend da, erst dann hatte er sich genügend gefaßt, um nach seinem Buchhalter zu klingeln.
    »Bringen Sie mir Mr. Stillmans Konto!« befahl er kurz.
    »Ich wollte schon mit Ihnen darüber sprechen, Sir!«
    »Ist nicht nötig!« fuhr der Bankier ihn an. »Bringen Sie nur das Konto!«
    Nach wenigen Minuten wurde ihm ein aufgeschlagenes Buch vorgelegt, und Tupperwill gewann seine alte Höflichkeit wieder.
    »Sie müssen mir meine - eh - Heftigkeit verzeihen, aber Major Amery hatte mich sehr geärgert - er hat mich sehr aufgeregt.«
    Er prüfte die vor ihm aufgeschlagene Seite, und sein Gesicht verfinsterte sich.
    »Überzogen hat er es nicht«, meinte er.
    »Nein, er hat es nicht überzogen, aber das ist auch alles, was man sagen kann. Seine Spekulationen waren kolossal. Schauen Sie sich das an!« Der Buchhalter fuhr mit dem Finger die Zahlenreihe herunter. »Alles Maklerschecks. Er hat in Angora in Öl spekuliert. Wir hatten eine Unmenge Aktien von ihm, aber binnen einer Woche sind sie von siebenundfünfzig auf dreizehn gefallen. Ich wollte Sie schon bitten, einmal mit Mr. Stillman zu sprechen.«
    »Haben Sie ihn niemals selbst gesprochen?« fragte der Bankier, ohne den Kopf zu heben.
    »Nein, Sir. Das Konto wurde durch Sie eröffnet, und ich kann mich nicht erinnern, den Kunden jemals in der Bank gesehen zu haben. Mir kam die Unterschrift auf den Schecks wie eine Damenhandschrift vor.«
    »Schon gut, schon gut, Thomas«, meinte Mr. Tupperwill mürrisch. »Ich will Mr. Stillman selbst schreiben. Soviel ich hieraus entnehmen kann, hat er in einem halben Jahr über eine Viertelmillion verloren.« Mit einem Knall schloß er das Buch und schob es seinem Angestellten zu. ›Eine Viertelmillion‹, dachte er erschrocken - ›auf die Straße geworfen!‹.
    Für Mr. Tupperwill war Kapital etwas Lebendiges, und es schmerzte ihn, wenn es grausam behandelt wurde. Eine Viertelmillion war in Nichts zerstückelt worden. Schon der Gedanke daran war ihm schrecklich. Er nahm einen Briefbogen und begann zu schreiben. Als er zur Hälfte fertig war, las er ihn mit unzufriedenem Gesichtsausdruck durch, ging an den Kamin, zündete ein Streichholz an und beobachtete, wie das Papier sich kräuselte und sich in Asche verwandelte. An diesem Tag arbeitete er nicht mehr, denn er war zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt.
    Gegen vier Uhr klingelte er seinem Buchhalter.
    »Stillmans Konto beunruhigt mich doch sehr!« erklärte er. »Wenn ich mich nicht sehr täusche, ist Stillman das Pseudonym einer jungen Dame, die vor Jahren bei der Bank eingeführt worden ist. Damals war mir versichert worden, daß sie ein riesengroßes Vermögen geerbt hätte.«
    »So ist das?« fragte der Buchhalter uninteressiert, als wenn ihn nichts in Erstaunen setzen könnte. »Eine adlige Dame?«
    »Nein, keine adlige Dame«, antwortete Tupperwill verlegen. »Sie nimmt nur eine sehr untergeordnete Stellung in einem Geschäftshaus in der City ein. Soweit ich mich erinnern kann, wollte sie sich für eine kaufmännische Laufbahn vorbereiten und hat ganz unten angefangen.«
    »Wie soll ich mich verhalten, wenn noch weitere Schecks vorgelegt werden?« wollte der Buchhalter wissen. »Mr. oder Miss Stillman hat nur noch ein sehr niedriges Guthaben.«
    Mr. Tupperwill schaute zur Decke. »Ich glaube, man sollte die Schecks honorieren«, sagte er ruhig. »Ja, man sollte sie honorieren, wenn sie nicht auf zu große - ich meine wirklich übermäßige - Summen lauten.«
    »Das wollte ich wissen!« bemerkte der Buchhalter, »denn soeben habe ich einen Scheck über fünfundzwanzigtausend Pfund von Stillman erhalten, und auf dem Konto sind nur noch fünfzig Pfund!«
    Mr. Tupperwill wurde blaß.

32
    Elsa Marlowe wäre nicht erstaunt gewesen, wenn sie bei ihrem Eintreten in Amerys Zimmer den Unheimlichen auf dem Kopf stehend angetroffen hätte. Er hatte ein so außerordentliches Benehmen, daß nichts mehr sie außer Fassung bringen konnte, und beinahe hatte sie sich auch schon mit seiner unverfrorenen Teilnahme an ihren Privatangelegenheiten abgefunden.
    Schon mehrmals wollte sie den Brief vernichten, den er ihr aufgedrängt hatte, aber jedesmal empfand sie es als ungerecht einem Mann gegenüber, der ihr sicherlich keine Mißgunst entgegenbrachte. Daß er sie nach seinen eigenen Enthüllungen für seine persönlichen Zwecke verwandte, erschien ihr leicht möglich.

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