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029 - Der Unheimliche

029 - Der Unheimliche

Titel: 029 - Der Unheimliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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habe ich dir doch erklärt«, rief Jessie verzweifelt. »Kann ich sie ihm aus der Hand reißen und abschreiben? Das war leicht, als ich sie zum Eintragen bekam, aber jetzt hat das aufgehört, und ich muß es wie früher machen - alle nur möglichen Papierfetzen aus dem Papierkorb herausholen.«
    Tame las den Brief aufmerksam durch und fuhr mit dem dicken Finger die Zeilen entlang.
    »F. O. I. - was ist das?« murmelte er vor sich hin. »Gut, Jessie, du kannst auf dein Zimmer gehen. Sei um sieben Uhr fertig angezogen, dann will ich mit dir zum Essen fahren!«
    »Ich möchte heute abend nicht.«
    »Was du willst und was ich will, sind zwei verschiedene Sachen!« schrie er. »Geh, zieh dich um!«
    Jessie lief wie ein ängstlicher Hase davon, und als sie um sieben Uhr zurückkehrte, sah sie, daß er noch immer im Straßenanzug war.
    »Ich habe meine Absicht über das Ausgehen geändert«, bemerkte er. »Du mußt allein gehen. Unterschreibe vorher dies!«
    Auf dem Tisch lagen drei unausgefüllte Schecks der Stebbings-Bank. Sie nahm eine Feder, unterzeichnete die Schecks mit ihrer eckigen Handschrift ›H. Stillman‹ und gab sie ihm zurück.
    »Noch etwas, Vater?« fragte sie furchtsam.
    »Ja, noch etwas. Iß im Cardinal und geh um halb zehn in den Mispah-Klub. Wenn jemand nach mir fragt, sagst du, daß ich auch dort bin. Im Mispah bleibst du bis zwei Uhr. Du hast immer gesagt, daß du die Gesellschaft vornehmer Leute liebst - nun, heute kannst du etwas länger mit ihnen zusammen sein. Verstehst du mich?«
    »Ja, Vater.«
    »Du sollst auch nicht eine Minute vor zwei Uhr zurück sein!«
    »Ja, Vater.« Dann nahm sie ihren Mantel vom Stuhl und verließ das Zimmer. Keiner hätte beim Anblick ihres verschlossenen Gesichtes geglaubt, daß Jessie Tame sich in die begehrteste Gesellschaft der vornehmen Welt stürzen wollte.

42
    Lange noch, nachdem Elsa das Büro verlassen hatte, saß Major Amery vor seinem Schreibtisch, und seine flinke Feder füllte ein Blatt nach dem anderen. Er hatte eine außerordentlich deutliche Handschrift und schrieb mit bewundernswerter Geschwindigkeit.
    Er war am Ende des sechsten Blattes angelangt, als es leise klopfte. Amery ging zur Tür, schloß auf und öffnete. Es war der Nachtwächter, der das Gebäude während der Nachtzeit betreute.
    »Verzeihen Sie, Sir, daß ich störe, aber ein Herr möchte Sie sprechen - ein Mr. Tupperwill.«
    Amery schaute auf die Uhr, es war halb sieben.
    »Führen Sie ihn bitte herauf!« Dann ging er an den Schreibtisch zurück, legte alle Papiere in eine Schublade und drehte seinen Stuhl so, daß er der Tür zugewandt war, durch die Mr. Tupperwill kurz darauf eintrat.
    Der Bankier war sichtlich in gedrückter Stimmung. Er schloß die Tür und blieb hinter dem Stuhl stehen, den Amery ihm mit einer Handbewegung anbot.
    »Sie werden diesen Besuch sehr merkwürdig finden, Major Amery«, begann er mit heiserer Stimme, »besonders, da ich nicht die Ehre habe ein guter Freund, nicht einmal ein guter Bekannter von Ihnen zu sein.«
    »Ich hatte erwartet, daß Sie kommen würden«, entgegnete Amery kurz. »Wollen Sie sich nicht setzen?«
    Mr. Tupperwill nahm vorsichtig Platz.
    »Tatsächlich bin ich so verwirrt, daß ich nicht weiß, an wen ich mich wenden, noch wessen Rat ich einholen soll. Ich habe mich entschlossen, Sie als einen Mann von Welt, der über große Erfahrung verfügt, um Hilfe zu bitten.
    Major Amery, ich habe Feinde. Wenn Ihnen das zu exaltiert klingen sollte, bitte ich Sie, mir einen Augenblick Gehör zu schenken. Es geht nicht nur um meinen ehrlichen Namen, sondern auch um die Grundlage meines Geschäftes.«
    Er hielt inne und befeuchtete seine trockenen Lippen. Amery wartete aufmerksam auf das, was folgen würde.
    »Sie haben mir einmal etwas prophezeit, was jetzt leider einzutreffen scheint«, fuhr Mr. Tupperwill fort, »nämlich, daß ein gewisser Kunde meiner Bank mich und mein ganzes Geschäft in Mißkredit bringen würde. Ich befürchte sehr, daß Ihre Worte wahr werden. Major Amery, meine Bank ist der tückischen Niedertracht eines Mannes zum Opfer gefallen, und jetzt ist nicht nur mein Vermögen, sondern auch mein Leben bedroht. Vor zwei Jahren stand ich an der Spitze eines blühenden Unternehmens, das in der City geachtet dastand . . .«
    »Vor zwei Jahren«, unterbrach Amery, »standen Sie an der Spitze eines bankrotten Unternehmens, das durch Buchfälschungen erhalten wurde!« Seine Worte klangen hart wie Stahl. »Die Stebbings-Bank ist seit Jahren

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