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029 - Der Unheimliche

029 - Der Unheimliche

Titel: 029 - Der Unheimliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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der Eitelkeit und der albernen Einbildung geboren wurde, daß so vollendete Geschöpfe, wie wir es sind, als Belohnung auch ein zukünftiges Leben genießen sollen?«
    Während er sprach, fuhr er mit der Rechten in die Tasche seines Gehrocks, und als er sie wieder hervorzog, hielt er einen dicken Stock in der Hand. Amery erkannte den Knüppel aus Nilpferdhaut, mit dem der Bankier in jener denkwürdigen Nacht niedergeschlagen worden war, als er und seine Komplicen den ersten Überfall auf ihn versucht hatten, und Tupperwill etwas zu nahe an den sich wehrenden Mann herangekommen war.
    »Ich glaube, den kennen Sie. Er wurde vor einigen Tagen bei einer - eh - Inspektion Ihres Hauses in Ihrem Arbeitszimmer gefunden. Dieser Fleck« - er deutete darauf - »ist Blut. Es ist mein Blut. Denken Sie daran!« Er beugte den Kopf, so daß Amery die Narbe sehen konnte, die sein Schlag hinterlassen hatte. »Mein Blut ist mir sehr teuer und hat für mich einen größeren Wert als irgend etwas anderes, wie Sie noch erfahren werden. Mit so einer Waffe«, fuhr Tupperwill in seiner ruhigen Art fort, »kann man einen Mann bis zur Unkenntlichkeit, ja sogar totschlagen. Ich nehme an, daß Sie jetzt wissen, welchen Tod ich Ihnen zugedacht habe. Vielleicht dachten Sie an Erschießen, Erhängen oder etwas gleich Schmerzloses? Selbst meine Freunde werden sich etwas Ähnliches ausgemalt haben.«
    Dabei schaute er zu Stillman hinüber, als ob er eine Bestätigung erwarte. Stillmans Verhalten verriet Neugier. Er schien vollständig im Bann der Beredsamkeit Tupperwills zu stehen und hatte anscheinend weder Gedanken noch Augen für den Gefangenen. Er starrte den Bankier an und bewegte seine Lippen, als ob er jedes einzelne Wort, das der ›hohe Herr‹ sprach, wiederhole.
    Tupperwill prüfte die Ketten und den Ring, indem er alle seine Kräfte anspannte, und betastete die Handschellen und den Strick an den Füßen des Gefangenen. Er schien zufrieden zu sein, denn er schritt über die Grube hinweg und legte den Knüppel nieder. Dann breitete er auf dem Boden ein Taschentuch aus, entledigte sich seines Gehrocks, faltete ihn sorgfältig zusammen und legte ihn auf das Tuch. Auf den Rock stellte er seinen glänzenden Zylinder, öffnete die goldenen Manschettenknöpfe und rollte die beiden Hemdsärmel auf, bis seine dicken Arme zu sehen waren.
    »Wo ist der Mantel?« fragte er freundlich.
    Amery konnte ihn von seinem Platz aus nicht sehen.
    »Ein Mantel, wie ihn die Fleischer benutzen«, erklärte Tupperwill, als Stillman ihm in das lange schwarze Gewand half, das vom Kinn bis zu den Füßen zugeknöpft wurde. Er nahm nun die Laterne auf, um zu seinem Gefangenen zu gehen.
    »Ich möchte sehen, was ich tue«, lächelte er und feuchtete sich die Handflächen an. »Wollen Sie hinausgehen?«
    »Ja, ich werde gehen«, antwortete Stillman heiser.
    »Vielleicht ist es besser so«, bemerkte Tupperwill mit großer Höflichkeit. »Glücklicherweise habe ich gar keine Nerven. Wenn Sie in zehn Minuten zurückkehren, werde ich fort sein, und Mr. Tame und Sie werden nicht mehr viel zu tun haben. Nun, Major Amery, sind Sie bereit?«
    Der erste Schlag drang noch an Stillmans Ohr, als er eilig die Tür schloß. Er fand Tame in der Küche vor einer halbleeren Whiskyflasche. Der Mann sah leichenblaß aus und war nahe am Weinen. Als Stillman hereinkam, krächzte er:
    »Nun, ist es vorbei? O Gott! Haben Sie gehört, was er über das Wecken am Morgen gesagt hat? Stillman - haben Sie je eine Hinrichtung gesehen?«
    »Halten Sie den Mund, Sie Narr!« knurrte Stillman. Er schaute sich nach der Tür um, durch die er eingetreten war. »Ich möchte die Geschichte am liebsten aufhalten!« knirschte er zwischen den Zähnen, und Tame lachte hysterisch.
    »Wagen Sie das ja nicht! Er würde Sie wie einen Hund niederschießen! Sie kennen ihn doch besser als ich. Außerdem stecken wir beide mit drin. Auf einen mehr oder weniger kommt es nicht an.«
    »Wo ist das Mädchen?«
    »Dort.« Tame deutete auf eine Tür. »Es ist die Vorratskammer. Ich habe ein Bett hineingestellt. Was sollen wir mit ihr anfangen?«
    »Sie festhalten.«
    »Hier?« rief Tame erschrocken. »Hier kann sie nicht bleiben. Meine Tochter würde sie finden.«
    »Dann schicken Sie Ihre Tochter fort. Sie haben doch eine ganze Menge Zimmer . . . Hier, betäuben Sie das Mädchen damit!«
    Er stellte eine kleine Flasche auf den Tisch, die Tame einfältig betrachtete.
    »Hat er das besorgt?« Stillman nickte.
    »Er denkt auch an

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