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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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»Das haben diese Schulen so an sich.«
    »Aber gewiß doch. Natürlich.«
    Lynley hielt vor dem Hauptgebäude an. Das Tor stand offen, den viereckigen grünen Hof umrahmend, der sich dahinter befand, und das Standbild in seiner Mitte. Selbst aus dieser Entfernung konnte Lynley das Profil Henry Tudors, Graf von Richmond und später Heinrich VII., des angeblichen Gründers von Bredgar Chambers, erkennen.
    Es war fast neun Uhr, aber nirgends auf dem Gelände war ein Mensch zu sehen, merkwürdig bei einer Schule, die nach eigenen Angaben sechshundert Schüler hatte. Aber als sie aus dem Wagen stiegen, hörten sie die brausenden Klänge einer Orgel und dann aus den Kehlen einer sangesgeübten Gemeinde die ersten Töne von »Ein feste Burg ist unser Gott«.
    »Kirche«, sagte Lynley.
    »Ist doch nicht mal Sonntag«, nörgelte Havers.
    »Unsere weltlichen Seelen werden schon keinen Schaden nehmen, wenn wir sie mal einem Gottesdienst aussetzen, Sergeant. Kommen Sie. Und machen Sie ein angemessen andächtiges Gesicht.«
    »Klar, Inspector. Dafür hab ich ein besonderes Talent.«
    Sie folgten Orgelklängen und Gesang durch das Haupttor auf einen mit Kopfsteinen gepflasterten Vorplatz und gelangten von dort in die Kapelle, die die Hälfte des östlichen Hofteils einnahm. Leise traten sie ein.
    Lynley sah, daß es eine Kapelle von der Art war, wie man sie an vielen privaten Internaten des Landes fand, das Gestühl zum Mittelgang blickend wie am King's College in Cambridge. Er und Havers standen am Südende des Baus zwischen zwei kleineren Seitenkapellen.
    Die zur Linken, in dunklem Holz getäfelt, war den Gefallenen der beiden Weltkriege gewidmet. Über den Namen der Toten prangte der schöne Spruch: Per mortes eorum vivimus. Lynley las die Worte: Was für ein jämmerlicher Trost und was für ein simplistisches Angebot zur Überwindung schmerzlichen Verlusts. Wie konnte man den Tod mit der Feststellung abtun, wenn er - und mochte er noch so grausam oder scheußlich gewesen sein - anderen diene, dann habe er sein Gutes? Er hatte das nie fertiggebracht. Und er hatte auch nie die Verliebtheit seines Landes in solch edles Opfertum verstanden. Er wandte sich ab.
    Aber auch die Seitenkapelle zur Rechten war den Toten gewidmet, allerdings nicht Opfern der Kriege. Diese jungen Menschen hatten durch andere Ursachen einen allzu frühen Tod gefunden; Lynley konnte es an den Gedenktafeln ablesen, die die Daten ihres kurzen Lebenswegs wiedergaben.
    Für den Kriegsdienst waren sie alle viel zu jung gewesen.
    Er trat ein. Kerzen flackerten auf einem mit Leinen bedeckten Altar, über dem ein milde blickender steinerner Engel schwebte. Bei seinem Anblick schlug plötzlich ein ungeheuer starkes Bild ihn in seinen Bann, das ihn seit Jahren nicht mehr heimgesucht hatte. Er war wieder der sechzehnjährige Junge, der in der kleinen katholischen Kapelle in Eton kniete. Getröstet durch die Anwesenheit der vier gewaltigen goldenen Erzengel, die die vier Ecken des Raumes bewachten, hatte er dort für seinen Vater gebetet. Obwohl er kein Katholik war, hatten ihm diese mächtigen Engel, die Kerzen, der geschmückte Altar das Gefühl gegeben, hier einem Gott näher zu sein, der ihn vielleicht hören würde. Jeden Tag hatte er darum gebetet. Und seine Gebete waren erhört worden. Auf grausame Weise. Die Erinnerung schmerzte wie eine offene Wunde. Er suchte Ablenkung und fand sie bei der größten Gedenktafel im Raum. Er musterte sie mit übertriebener Aufmerksamkeit.
    Edward Hsu - geliebter Schüler - 1917-1975. Anders als die übrigen Tafeln, auf denen an Tote erinnert wurde, die ohne Gesicht blieben, zeigte diese die Fotografie des jungen Toten, eines schönen Chinesen. Die Worte »geliebter Schüler« faszinierten Lynley; sie legten die Vermutung nahe, daß einer der Lehrer des Jungen ihm dieses liebevolle Denkmal gesetzt hatte. Lynley dachte sofort an John Corntel, verwarf den Gedanken jedoch gleich wieder. Das war nicht möglich. 1975 hatte Corntel hier noch gar nicht unterrichten können.
    »Sie kommen sicher von Scotland Yard.«
    Beim Klang der gedämpften Stimme drehte sich Lynley um. Ein Mann in schwarzer Robe stand am Eingang zur Seitenkapelle.
    »Alan Lockwood«, sagte er. »Ich bin der Leiter von Bredgar.« Er trat näher und bot Lynley die Hand.
    Der Händedruck war etwas, worauf Lynley bei Menschen zu achten pflegte. Der Lockwoods war fest. Sein Blick flog zu Sergeant Havers, doch wenn es ihn überraschte, eine Frau zu sehen, so zeigte er es

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