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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Aufmerksamkeit. »Du kümmerst dich um die Snacks für heute nachmittag, Kate. Sieh zu, daß sie besser sind als die letzten, bitte.« Damit hob Lockwood eine Hand -Lebewohl oder Segen, es war schwer zu sagen - und eilte geschäftig davon.
    »Ich hatte gestern gar nicht richtig Gelegenheit, mit den Eltern des Jungen zu sprechen«, bemerkte Kathleen Lockwood, nachdem ihr Mann gegangen war. »Sie waren am Nachmittag hier, als wir noch glaubten, Matthew sei durchgebrannt. Dann sind sie wieder gefahren. Und als wir hörten, daß man den Jungen tot gefunden hatte ...«
    Sie verstummte und senkte die Lider. »Kommen Sie, ich bringe Sie jetzt zu Chas. Bitte, einfach hier durch die Kapelle.«
    Sie führte sie durch den Mittelgang, von wo man die Kapelle in ihrer ganzen Pracht bewundern konnte. Die Morgensonne schien durch die bunten mittelalterlichen Fenster auf der Ostseite und warf durchsichtige Farbflecken auf das Gestühl und den ausgetretenen Steinboden. Die dunkle Holztäfelung an den Wänden reichte bis zu den Fenstern hinauf, und hoch über ihnen zeigte das Fächergewölbe der Decke eine Serie feingearbeiteter Bossen. Die Kerzen, die während des Gottesdienstes gebrannt hatten, waren gelöscht worden, aber ihr Geruch hing noch in der Luft und mischte sich mit dem Duft der Blumen, die in Abständen aufgestellt, den Mittelgang schmückten.
    Kathleen Lockwood ging auf den Altar zu. Das Marmorretabel dahinter zeigte drei biblische Szenen: Abraham bei der Opferung Isaaks, die Vertreibung Adam und Evas aus dem Paradies und, in der Mitte, die weinende Maria zu Füßen des gekreuzigten Christus. Davor standen sechs hohe Kerzen und ein Kruzifix inmitten eines Blumenmeers. Es wirkte alles reichlich aufdringlich, wie eine übertriebene Zurschaustellung religiöser Inbrunst, die ans Geschmacklose grenzte.
    »Für den Blumenschmuck sorge ich«, erzählte Kathleen. »Wir haben ein eigenes Gewächshaus, so daß ich den Altar das ganze Jahr hindurch mit frischen Blumen schmücken kann.«
    Es schien ein zweifelhaftes Glück.
    Vom Altarraum führte eine Tür zur Sakristei, in der sich im Augenblick noch die Chormitglieder drängten, etwa vierzig Jungen, die dabei waren, Soutanen und Chorhemden auszuziehen und an numerierten Haken an der Wand aufzuhängen.
    Keiner der Schüler war überrascht, als Kathleen Lockwood Lynley und Barbara Havers in den Raum führte. Die Gespräche flossen weiter, lebhaftes Stimmengewirr, von Gelächter durchmischt, das zeigte, daß die jungen Leute mit sich zufrieden waren. Alles schien wie immer zu sein. Einziger Hinweis, daß jemand den Eintritt der Fremden überhaupt bemerkt hatte, war eine Stimme, die aus dem Nichts zu kommen schien: »Chas!«
    Erst da versiegten langsam die Gespräche. Die Schüler tauschten verstohlene Blicke. Lynley sah, daß alle Altersstufen, von den Jüngsten, die mit zwölf und dreizehn in die dritte Klasse kamen, bis zu den Schülern der Abschlußklasse, vertreten waren. Mädchen waren keine darunter. Und im Augenblick war auch kein Lehrer da.
    »Chas Quilter«, sagte Kathleen Lockwood fragend.
    »Hier bin ich, Mrs. Lockwood.«
    Der Junge, der vortrat, war zum Sterben schön.

6
    Lynleys erster Gedanke beim Erscheinen des Jungen war, daß er einen gewählteren Namen als Chas verdient hätte. Raphael oder Gabriel kamen einem augenblicklich in den Sinn; und vorzüglich gepaßt hätte Michelangelo, denn Chas Quilter sah in der Tat aus wie ein achtzehnjähriger Engel.
    Er war beinahe in jeder Hinsicht ein Geschöpf von himmlischer Vollkommenheit. Das blonde Haar, wenn auch kurz geschnitten, bedeckte in locker fallenden Ringellocken seinen Kopf, so wie man sie bei einem Cherubim auf Renaissancegemälden sieht. Seine Gesichtszüge jedoch hatten nichts von der faden Unbestimmtheit dieser Engelsgeschöpfe des 16. Jahrhunderts. Sie wirkten vielmehr wie gemeißelt, klar und rein: hohe, breite Stirn, festes Kinn, feingebildete Nase und eine makellose Haut, über der an den Wangen ein sanfter Farbschimmer lag. Nur eine menschliche Unzulänglichkeit schien er zu besitzen: Er mußte eine Brille tragen, die er, da sie die Tendenz hatte zu rutschen, immer wieder hochschob.
    »Sie sind wohl von der Polizei.« Er schlüpfte in seinen blauen Schulblazer. Auf der linken Brusttasche war das Emblem von Bredgar Chambers, ein dreigeteiltes Wappen, dessen Felder ein kleines Fallgatter zeigten, eine Krone, die über einem Weißdornreis schwebte, und zwei einander umrankende Rosen, die eine rot, die

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