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03 - Der Herr der Wölfe

03 - Der Herr der Wölfe

Titel: 03 - Der Herr der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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hierher eingeladen hatte. Erst vor kurzer Zeit war sein Großvater zu Grabe getragen worden, der Ard-Righ von Irland. Er erinnerte sich noch gut, wie schmerzlich ihn der Verlust getroffen hatte, und sein Herz krampfte sich zusammen, während er seine kindliche Frau beobachtete, die so unglücklich hinter der Bahre kniete. Wenn sie doch aufhören würde, ihn zu bekämpfen … Vielleicht könnten sie dann irgendwie zu einer Einigung gelangen.
    Nach der Messe begann Manon de Beauvilles letzte Reise. Seine engsten Freunde trugen ihn zur Familiengruft, die unterhalb der Vorratsräume lag. Eine Doppeltür führte ins Dunkel der Krypta. Nur einige Fackeln spendeten Licht und wiesen den Weg zum steinernen Sarkophag, wo der Graf seine ewige Ruhe finden sollte.
    Bis jetzt war seine Tochter nicht vor Kummer zusammengebrochen, und wenn sie geweint hatte, dann lautlos. Aber als Vater Matthew die letzten Worte sprach und sich alle zum, Gehen wandten, blieb sie stehen. »Gebt mir eine Fackel, Philippe. Ich möchte ihn noch nicht allein lassen.«
    Ihre Absicht missfiel ihrem Ehemann. Der Feuerschein konnte die schwarzen Schatten im Hintergrund der Krypta nicht erreichen. Allzu viele Tote waren hier nicht bestattet, doch Conar sah die Umrisse einiger weiß verhüllter Gestalten auf den steinernen Podesten. An der Seite des Grafen lag vermutlich seine längst verstorbene Frau.
    Ein gespenstischer Ort, dachte Conar, und gewiss nicht geeignet für ein junges Mädchen. »Das wäre unklug, Melisande«, mahnte er.
    Hastig trat Philippe vor. »Mein Herr, ich flehe Euch an, erlaubt mir, hier bei ihr zu bleiben. Ich werde dafür sorgen, dass sie bald nach oben geht.«
    Conar zögerte, dann seufzte er. »Nein, guter Mann, Ihr begleitet die anderen hinaus. Ich kümmere mich um meine Frau. «
    Nur widerwillig nickte Philippe. Ehe er die Krypta verließ, steckte er seine Fackel in einen Wandhalter. Conar war mit Melisande allein. Sie kniete nicht nieder, stand zu Füßen ihres Vaters und neigte den Kopf. Ihre Augen sah er nicht, nur das dunkle Haar, das im Flammenlicht glänzte.
    Er wartete geduldig, während die Zeit langsam verstrich. Die Fackel brannte herab. Schließlich ging er zu seiner Frau. »Komm jetzt mit mir.«
    »Er wird so einsam sein, für immer in dieser Finsternis.«
    »Sicher ist er längst im Himmel, wenn er nur die Hälfte der guten Taten begangen hat, die man ihm nachsagt.«
    Nach einer Weile blickte sie auf. »Im Himmel? Oder in Walhall?« Sogar hier, an diesem ehrwürdigen Ort, versuchte sie, ihn herauszufordern.
    Doch er zwang sich zur Ruhe und erwiderte kühl: » Vielleicht ist beides dasselbe. Und nun müssen wir endlich gehen.«
    »Nur noch ein Gebet«, flüsterte sie, und er sah Tränen über ihre Wangen rollen - Tränen, die sie bisher so tapfer zurückgehalten hatte.
    Da hob er sie hoch, und diesmal ließ sie es Widerstandslos geschehen. Schluchzend presse sie ihr Gesicht an seine Brust. Er trug sie aus der Krypta, schloss die schwere Tür hinter sich und schaute ins schwache Licht, das von der Treppe herabdrang.
    Welch ein seltsames Gefühl, Melisande auf den Armen zu halten … Er staunte selbst über die Zärtlichkeit, die sie in ihm weckte, und plötzlich wünschte er sich, sie zu trösten, sie stets zu beschützen.
    Er setzte sich mit ihr auf die unterste Stufe, streichelte ihren Kopf, atmete den süßen Duft ihres weichen Haares ein. Behutsam wiegte er sie hin und her und spürte, wie das heftige Schluchzen ihren ganzen Körper erschütterte. Beruhigend sprach er auf sie ein und versicherte, der Schmerz würde nachlassen, nur die Erinnerungen seien unauslöschlich.
    »Wie kannst du das wissen?« wisperte sie.
    »Auch mir wurde ein Mensch genommen, der mir sehr nahestand. Wie dein Vater war er allseits beliebt.«
    »Ein Wikinger?«
    »Nein«, entgegnete er leicht belustigt, »der Ard-Righ, mein Großvater mütterlicherseits - einer der bedeutsamsten hohen Könige Irlands, die jemals die Herrscher von niedrigerem Rang um sich versammelt haben. Seiner Kraft und Weisheit verdanken wir den Frieden, in dem wir jetzt leben.«
    Eine Zeitlang schwieg sie, dann sagte sie leise: »Aber du siehst jeden Tag den Tod.«
    »Nicht jeden Tag. Ich suche ihn nicht. Eigentlich … «
    Seine Stimme erstarb, und Melisande fragte zu ihrer eigenen Überraschung: »Was wolltest du sagen, Wikinger?« Er seufzte. »Meine Mutter hasste es, wenn wir alle in der
    Kriegskunst unterwiesen wurden. Sie wünschte, das Schicksal ihrer Söhne würde

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