03 Die Auserwählten - In der Todeszone
bevor die Ärzte es taten.
»Ich …«, setzte Thomas an, aber mehr brachte er nicht heraus.
»Was?«, fragte Christensen und schaute auf ihn herunter.
Thomas versuchte zu sprechen, doch bevor er noch ein Wort herausbringen konnte, erschütterte ein gewaltiges Donnern den Flur. Christensen stolperte und stieß beim Versuch sich abzufangen das Bett nach rechts. Es knallte gegen die Wand, prallte ab, schlingerte, krachte gegen die andere Wand. Thomas versuchte sich zu bewegen, war aber noch immer betäubt und hilflos.
Ein Schrei war zu hören. Stimmen riefen durcheinander, dann war wieder alles still. Der Arzt stand auf, eilte zu Thomas’ Liege und schob sie weiter geradeaus durch eine Schwingtür. Eine Gruppe in steriler OP-Kleidung erwartete sie in einem weißen Raum.
Christensen rief Befehle. »Wir müssen uns beeilen. Alle auf ihre Plätze. Lisa, er muss vollständig betäubt werden. Sofort!«
Eine kleine Frau erwiderte: »Die Vorbereitungen sind noch nicht …«
»Egal. Vielleicht brennt gleich das ganze Gebäude ab.«
Er schob die Liege neben einen OP-Tisch, und noch bevor das Bett zum Stehen kam, wurde Thomas von mehreren Händen hinaufgehievt. Er lag auf dem Rücken und versuchte das Gewusel von Ärzten und Krankenschwestern zu entwirren. Es waren mindestens neun oder zehn. Er spürte ein Piksen im Arm, schaute an sich hinunter und sah, wie die kleine Frau ihm eine Nadel in die Vene stach. Seine Hände waren immer noch das Einzige, was er bewegen konnte.
Lampen wurden über ihm in Position gebracht. Er spürte Einstiche an verschiedenen Stellen, Überwachungsgeräte fingen an zu piepen, eine Maschine brummte, Leute redeten durcheinander, alles im Raum war in Bewegung, wie eine einstudierte Choreografie.
Die Lichter waren unwahrscheinlich grell. Das Zimmer drehte sich im Kreis, obwohl er still dalag. Immer wieder die Panik vor dem, was sie mit ihm machen würden. Zu wissen, dass alles vorbei war, hier und jetzt.
»Ich hoffe, es funktioniert«, brachte er schließlich heraus.
Ein paar Sekunden später wurde er endgültig von der Narkose überwältigt.
Lange Zeit sah Thomas nur schwarze Dunkelheit. Da war nichts als Leere. Und ganz am Rande war ihm bewusst, dass er eigentlich schlafen sollte und nur noch am Leben war, damit sie sein Gehirn untersuchen konnten. Es auseinandernehmen und vermutlich in dünne Scheiben zerlegen.
Also war er noch nicht tot.
Während er in dieser verwirrenden Schwärze dahintrieb, hörte er irgendwann eine Stimme, die seinen Namen rief.
Nachdem er mehrmals Thomas gehört hatte, beschloss er, der Stimme zu folgen, sie zu finden. Er versuchte, sich zu der Stimme hinzubewegen. Zu seinem Namen.
»Thomas, ich glaube an dich«, sagte eine Frau, während er sich bemühte wach zu werden. Er kannte ihre Stimme nicht, aber sie war irgendwie sanft und gleichzeitig respekteinflößend. Er strengte sich weiter an, merkte, wie er stöhnte und sich im Bett hin- und herwälzte.
Schließlich öffnete er die Augen. Er blinzelte in die hellen Deckenleuchten und hörte, wie hinter der Person, die ihn aufgeweckt hatte, die Tür ins Schloss fiel.
»Halt«, rief er, doch es kam nur ein heiseres Flüstern heraus.
Mit viel Willenskraft schob er die Ellbogen unter seinen Oberkörper und stemmte sich hoch. Er war allein im Zimmer, es waren nur entfernte Rufe und hin und wieder ein Geräusch wie Donnergrollen zu hören. Seine Gedanken wurden wieder klar, und er merkte, dass ihm außer einer gewissen Abgeschlagenheit nichts fehlte. Was wohl hieß, dass sein Gehirn noch intakt war – falls die Medizin nicht unerhörte Fortschritte gemacht hatte.
Eine Aktenmappe auf dem Tisch neben dem Bett erregte seine Aufmerksamkeit. Jemand hatte in großen, roten Druckbuchstaben Thomas auf die Vorderseite geschrieben. Er schwang seine Beine über die Bettkante, um sich hinzusetzen, und griff nach der Mappe.
Darin fand er zwei Blätter. Auf dem einen war eine Karte des ANGST-Komplexes, auf der mit schwarzem Stift mehrere Wege durch die Gebäude eingezeichnet waren. Er überflog das zweite Blatt: Es war ein Brief, an ihn gerichtet und von Kanzlerin Paige unterschrieben. Er legte die Karte zur Seite und fing an, den Brief zu lesen.
Lieber Thomas,
ich bin der Meinung, dass die Experimente abgeschlossen sind. Wir haben mehr als genug Daten zur Erstellung des Masterplans. Meine Kollegen sind in dieser Angelegenheit anderer Ansicht, dennoch ist es mir gelungen, den Eingriff abzubrechen und dein Leben zu
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