03 - komplett
lapidare Beobachtung ließ seine Gattin traurig aufseufzen. „Ich bin sicher, die Ehe wird ihn zur Ruhe bringen. Ich habe das Gefühl, dass er nur nach London gereist ist, weil sich Sylvie Meredith derzeit dort aufhält. Vielleicht gibt er zu viel aus und geht verschwenderisch mit dem Geld um, weil er sie beeindrucken will. Sie ist ein außergewöhnlich hübsches Mädchen und zieht naturgemäß viel Aufmerksamkeit auf sich. Aber Gloria mag Hugo und würde eine Ehe mit ihm billigen.“
„Nun, ich würde mir diesbezüglich keine allzu großen Hoffnungen machen. Meiner Ansicht nach schätzt Sylvie unseren Sohn keineswegs“, sagte Sir Anthony unverblümt. Gern wollte er seine Gemahlin in dem romantischen Glauben lassen, dass sein Sohn allein deswegen an Geldmangel litt, weil er seiner Herzensdame imponieren wollte. Doch er glaubte nicht daran und meinte daher vorsichtig: „Ich könnte es Sylvie nicht einmal verübeln, wenn sie eine schlechte Meinung von Hugo hätte, wenn ich sehe und höre, wie er sich in letzter Zeit benimmt.“
Erzürnt, dass ihr einziges Kind so harsch getadelt wurde, erwiderte Lady Robinson verstimmt: „Es gibt auch andere nette junge Damen in der Umgebung, die sich geehrt fühlen würden, wenn er sie aufsuchen würde. Er sollte nach Hause kommen und ...“
„Nein, er sollte nicht nach Hause kommen“, warf Sir Anthony ruhig ein. „Hätte er nicht selbst beschlossen, in die Stadt zu ziehen, hätte ich ihm dies sogar nahegelegt.
Ich höre immer mehr Gerüchte über ihn, die mir ganz und gar nicht gefallen, Susannah. Man munkelt, er sei ein Schürzenjäger, ein Trunkenbold und äußerst ungehobelt, er soll sich gar geprügelt und randaliert haben.“
Mit Entsetzen nahm Lady Robinson diese Neuigkeit zur Kenntnis. Sie verteidigte ihren Sohn immer noch, aber ihre Stimme zitterte: „Er ist ein heißblütiger junger Mann, Anthony. Es ist doch nur natürlich, wenn er ein wenig ... ungestüm ist. Er wird sich ändern, wenn er erst Gattin und Familie hat, da bin ich mir sicher.“
„Ich kann nur hoffen, dass du damit recht behältst, meine Liebe“, antwortete Sir Anthony betrübt, ehe er sich in seinem Sessel zurücklehnte. Als er die Lider über seinen müden Augen schloss, fühlten sie sich so schwer an wie sein Herz.
Hugo betrat die Diele des Hauses Nummer zwölf in der Fenner Street. Sein fröhliches Pfeifen erstarb jedoch, als er seine Vermieterin auf der Treppe entdeckte. Er versuchte sich an ihr vorbeizudrücken, aber sie verschränkte ihre fleischigen Arme und versperrte ihm den Weg.
„Die Miete ist fällig, und für die anderen Dienstleistungen haben Sie mich auch noch nicht bezahlt.“
Hugo beäugte die ungepflegte Frau mit Abscheu. Nun da er nüchtern war und im harten Tageslicht ihr vom Gin aufgedunsenes Gesicht betrachten konnte, ihre stämmige Gestalt, war er sich nicht mehr sicher, wie er es überhaupt hatte ertragen können, ihre „anderen Dienstleistungen“ in Anspruch zu nehmen. Aber er hatte es getan und das mehr als einmal, wenn sein Geldmangel ihn dazu gezwungen hatte, zu Hause zu bleiben und allein in seinem Zimmer zu trinken. Wortlos schob er sie zur Seite und ging weiter die Treppe hinauf.
Nachdem er seine schäbige Unterkunft betreten hatte, setzte er sich auf die Bettkante und öffnete die Zeitung, die er unterwegs gekauft hatte. Er blätterte durch die Seiten und überlegte, ob eine kleine Schmeichelei ihm vielleicht ein kostenloses Dinner von der alten Hexe einbringen konnte, während sein Blick gleichgültig über die Verlobungsanzeigen flog. Eine dieser Anzeigen jedoch erregte seine Aufmerksamkeit. Er las sie, las sie erneut, und das Blut wich ihm aus dem Gesicht.
Wütend zerknüllte er die Zeitung und warf den Papierball an die Wand, um gleich darauf laut fluchend im Zimmer auf und ab zu gehen.
Schließlich blieb er vor dem Fenster stehen. Sein gewitterschwarzer Blick schweifte von den Dächern zum Himmel zum Schornstein und wieder zurück. Ein unbändiger Zorn hatte ihn erfasst, den er nur mühsam bezwingen konnte. Dann aber rief er sich in Erinnerung, dass die Würfel noch nicht gefallen waren. Er musste sich keine Sorgen machen: Kein anderer Mann konnte sie besitzen.
Innerhalb von zehn Minuten hatte sich Hugo zum Ausgehen fertig gemacht. Er hatte die Zeitung wieder geglättet und ordentlich gefaltet, und eine seiner Manteltaschen wog schwer von dem Gewicht eines Messers. Ohne sich um die Kosten zu kümmern, nahm er sich eine Droschke, die ihn in die
Weitere Kostenlose Bücher