0307 - Abrechnung mit Jane Collins
Ich entdeckte auch Bilder, konnte aber keine Motive erkennen.
»Gleich habe ich es«, sagte er hastig. »Gleich ist es soweit. Dann werden wir die Kraft des Steins erleben, darauf könnt ihr euch verlassen.« Er lachte so, wie eine Ziege meckert.
Sympathisch war mir der Mann nicht. Ich hätte ihn auch gern aus dem Spiel herausgehabt. Das war leider nicht mehr möglich, denn nur seine Hinweise konnten uns zum Erfolg führen.
»Ja, ja, da ist es, gleich - jetzt!« Das letzte Wort drang jubelnd über seine Lippen. »Ich habe es!« Bevor er noch das Buch herumdrehen konnte, hatte ich meine Hand draufgelegt und zog es an mich. Eine Doppelseite war aufgeschlagen.
Rechts sah ich die Abbildung des Steins. Nur in Schwarzweiß, dennoch gab es keinen Zweifel, daß es sich bei dem Bild um die Träne des Teufels handelte.
Auf der linken Buchseite standen Formeln und Sprüche, die ich noch nie gelesen hatte.
Buchstaben-Zusammensetzungen, die man, wenn man sie aussprach, als kehlige Laute entließ.
»Und das ist es?« wandte ich mich an den Makler.
Er nickte so heftig, daß man Angst haben konnte, sein Schädel würde abfallen.
»Was soll ich tun?«
»Lesen!« flüsterte er. »Die Sprüche auf der linken Seite.« Er deutete mit dem Finger darüber. Seine gesunde Hand zitterte vor Aufregung.
»Laut und deutlich vorlesen.«
»Was geschieht dann?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Monsieur. Ich habe es noch nicht gewagt.« Er zeigte jetzt auf Jane. »Fragen Sie doch diese verfluchte Hexe. Sie muß es ja wissen.«
»Stimmt das, Jane?«
Zuerst bekam ich keine Antwort. Die ehemalige Detektivin hockte erschlafft im Sessel. Sie konnte sich nicht rühren. Der Kopf war nach vorn gefallen, das Kinn berührte fast ihre Brust. »Sag die Wahrheit, Jane. Stimmt es?«
»Ich will es nicht wissen. Es ist alles zu spät.«
»Jetzt hat sie Angst!« lachte der Makler. »Sehen Sie nur, wie sie sich windet. Wenn ihre Hände nicht gefesselt wären, würde sie uns am liebsten die Augen auskratzen.«
»Kommen Sie zur Sache!«
»Bin dabei.« Van Doolen ließ sich wieder zurückfallen. »Lesen Sie die Worte laut und deutlich vor.«
Ich nahm das Buch an mich und legte es auf meine Knie. Den Stein behielt ich in der Hand.
»Hast du noch etwas zu sagen, Jane?« fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Kann ich dich umstimmen?«
»Nein!«
»Dann tu, was du nicht lassen kannst, du verfluchter Bastard!« brüllte sie. »Zerstöre ruhig mein Leben. Es ist dir ja nichts wert!«
»Du siehst das falsch«, erwiderte ich ruhig. »Ich will dein Leben retten, nicht zerstören!«
»Du wirst schon sehen, was du davon hast. Der Stein ist mächtig, dir überlegen…«
»Das glaube ich nicht! Und jetzt sei bitte ruhig!«
Sie war es tatsächlich. So konnte ich mich auf die Aufgabe konzentrieren.
Ich hatte beim Querlesen schon geahnt, daß es schwer sein würde, die Worte auszusprechen. Wie groß die Schwierigkeiten tatsächlich wurden, das merkte ich erst jetzt.
Die Worte wollten mir kaum über die Lippen kommen. Ich strengte mich ungemein an und hoffte, daß etwas geschah.
Den Stein hatte ich aus der Hand gegeben. Er lag wieder auf dem Tisch. Von links vernahm ich das heftige Atmen, aus der entgegengesetzten Richtung klang Janes Keuchen.
Sie mußte Schreckensängste durchstehen. Darum konnte ich mich jetzt nicht kümmern. Die andere Sache war wichtiger.
Wort für Wort stammelte ich den Text zusammen. Doch je mehr ich las, um so besser klappte es. Die Worte kamen allmählich flüssiger über meine Lippen, mochten sie auch noch so fremd für mich sein.
Noch etwas anderes spürte ich. Anscheinend war ich doch nicht der richtige Mann, der diese Formeln aufsagen durfte, denn es waren Worte des Bösen, und das merkte auch mein Kreuz.
Auf der Brust spürte ich einen Druck, der von Sekunde zu Sekunde stärker wurde.
Parallel dazu veränderte sich der Stein.
Bisher war er glasig und auch durchsichtig gewesen. Mit jedem ausgesprochenen Wort wurde er dunkler. Ich beobachtete ihn hin und wieder. Sein Inneres schien sich allmählich mit grauem Kohlenstaub zu füllen, der immer dichter wurde, die Farbe noch mehr trübte und sie allmählich in ein tiefes Schwarz hinein drückte.
Dunkel wie Teer. Schwarz wie Kohle…
Und das Sprechen fiel mir schwerer. Ich stöhnte zwischendurch und hörte die bange Frage des Maklers.
»Was ist mit Ihnen los?«
Nein, ich ließ mich nicht beirren und las weiter. Nur nicht so dicht vor dem Ziel aufgeben. Alles andere
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