0309 - Wir und die rätselhaften Morde
einseitigen Ermittlungen überreden wollte. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, hatte er sich zwei Gangster gemietet, den Chauffeur mit der Pistole und einen Gangster, der mir mit einem Totschläger die Flötentöne beibringen wollte. Diesen Kerl musste ich in Notwehr erschießen. Jim, der Fahrer und das blonde Mädchen konnten entkommen.«
»Da ist ja furchtbar«, klagte sie. »Würden sie mir einen großen Gefallen tun und sofort zu mir kommen? Ich möchte die Sache ausführlich mit Ihnen durchsprechen. Mister Cain ist zurzeit auch hier.«
Das gab den Ausschlag.
Zusammen mit Phil war ich wenig später in der 69. Straße East Nummer 20.
Roger Cain öffnete uns. Er sah noch verkniffener und noch gelber aus als damals auf der Party.
»Miss Cabrini hat darauf bestanden, mit Ihnen zu sprechen«, sagte er, und an seinem Tonfall konnte ich hören, dass dieser Wunsch durchaus nicht in seinem Sinn war. Er ließ uns eintreten und führte uns in das mir bereits bekannte Zimmer. Seit gestern schien sich nicht das Geringste geändert zu haben, wenn ich nicht in Betracht zog, dass die schwarzlockige Nita jetzt ein rosenfarbiges Négligé trug. Außerdem sah sie aus, als ob sie Sorgen habe.
»Bitte nehmen sie Platz, meine Herren«, bat sie mit mattem Lächeln. »Roger, mach uns ein paar Drinks.«
Mr. Cain gehorchte genauso, als ob er ein wohlerzogener Diener sei. Er mischte etwas Undefinierbares zusammen, das aber gut und kräftig schmeckte.
»Wie ich höre, wissen Sie bereits, dass Jim mein Onkel ist«, begann sie. »Das erleichtert die Aussprache. Ich weiß natürlich genau, dass er sich in früheren Zeiten…«, sie stockte, »dass er sich, wie man so sagt, außerhalb der Gesetze gestellt hat, aber das ist vorbei. Er hat etwas raue Manieren und kann sich in der heutigen Zeit nicht zurechtfinden.«
»Das habe ich gemerkt«, sagte ich. »Sie haben das noch sehr milde ausgedrückt. Der gute Onkel Jim ist so in alten Vorurteilen befangen, dass er glaubte, er brauche nur zwei berufsmäßige Killer auf mich zu hetzen und mir außerdem ein paar tausend Dollar anzubieten, damit ich tanze, wie er pfeift. Die Sache ging schief und ich musste, wie ich Ihnen schon sagte, einen der Burschen erschießen. Ihr guter, lieber Onkel trieb es sogar so weit, dass er mich auf den Schädel schlug, um entwischen zu können.«
»Unglaublich!«, knurrte Cain. »Ich habe dir ja immer gesagt, Nita, du sollst dich nicht mit dem alten Gangster einlassen.«
»Mische dich nicht ein, Roger«, erwiderte sie scharf.
Dann zwang sie sich wieder zu einem freundlichen Lächeln und richtete sich auf.
»Bitte, Mister Cotton, bitte nehmen Sie Okel Jim für das, was er ist. Er liebt mich auf seine Art abgöttisch, und nur darum ist er übers Ziel hinausgeschossen. In Wirklichkeit ist er ein herzensguter Mensch.«
Ich musste erst einmal tief Luft holen.
Phil lächelte.
Cain presste für einen Augenblick die Lippen zusammen. Dann aber war es aus mit seiner Selbstbeherrschung.
»Ich weiß nicht, was dir an dem alten Lumpen sympathisch ist. Er ist ein Gangster, und er bleibt ein Gangster. Den Beweis hast du ja soeben gehabt.«
Einen Augenblick sah es aus, als werde die Cabrini wütend. Als sie wieder sprach, war ihre Stimme messerscharf, und ihre Augen blickten böse.
»Du würdest mir einen großen Gefallen tun, Roger, wenn du hinausgingst, um dich abzukühlen. Ich zweifele nicht 36 daran, dass ich in der Zwischenzeit mit den beiden Herren zu einem Einvernehmen komme.«
»Ganz wie du willst«, knirschte Cain, stand auf, stampfte hinaus und schmetterte die Tür hinter sich zu.
»So ist er«, seufzte Nita und blickte mich an. »Ich glaube, er ist tatsächlich auf Onkel Jim eifersüchtig. Können Sie mir sagen, Mister Cotton, warum alle Männer hinter mir her sind? Es ist furchtbar.«
»Tja, Onkel Jim hat sich gewaltig in die Nesseln gesetzt«, meinte ich. »Kidnapping, Bedrohung mit tödlichen Waffen, versuchte Erpressung und tätlicher Angriff auf einen G-man… Das reicht für zehn Jahre Sing Sing.«
Nita starrte mich aus entsetzten Augen an.
»Aber Mister Cotton. Das werden Sie mir doch nicht antun«, sie begann herzbewegend zu schluchzen.
Phil tippte mit dem Zeigerfinger gegen die Stirn. Ich konnte ihm nicht ganz Unrecht geben.
Ich wartete bis Nita sich beruhigt hatte.
»Was werden Sie nun tun?«, fragte sie.
»Was geschehen muss, ist bereits geschehen«, sagte Phil. »Es ist eine Fahndung nach Jim Brown ausgeschrieben. Alles Weitere
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