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0312 - Ihn peitschte die Angst

0312 - Ihn peitschte die Angst

Titel: 0312 - Ihn peitschte die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ihn peitschte die Angst
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kreischenden Bremsen kam der erste Wagen zum Stehen. Ich dirigierte den Krankenwagen in die Lücke und auf die Einfahrt zu dem Gewölbe. Profilspur hin, Profilspur her, und auf die Gefahr hin, daß sie jetzt vom darüberrollenden Krankenwagen zerstört wurde: Hier ging es um ein Menschenleben.
    Aus dem Wagen sprang ein verhältnismäßig junger Mann in einem weißen Kittel und mit einer randlosen Brille.
    »Wo?« herrschte er mich an.
    Ich zeigte in das düstere Zwielicht hinein, das in dem tiefen Gewölbe herrschte. Der junge Arzt hastete vorwärts, eine Tasche in der Hand. Ich folgte ihm. Unterdessen kletterten zwei weitere weißbekittelte Männer aus dem Wagen und zogen eine Trage heraus.
    Der Arzt kniete neben dem Mann in der grünen Uniform nieder. Er fühlte den Puls, blickte in seine Augen und hielt das Stethoskop an die Halsschlagader. Schließlich zuckte er die Achseln.
    »Ich kann es nicht sagen«, murmelte er. Seine Stimme klang ein wenig hilflos und verzagt, fast wie die eines Kindes.
    »Was?« fragte O’Hara heiser. »Was könne Sie nicht sagen?«
    Der Arzt sah ihn über seine dicken Brillengläser hinweg groß an. Dann zuckte er noch einmal die Achseln und stand auf.
    »Ob er noch lebt«, sagte er.
    Einen Augenblick standen wir reglos. Dann kamen die beiden Männer mit der Trage heran. Zu fünft schoben wir behutsam, nach den Anweisungen des Arztes, unsere Hände unter den schlaffen Körper und betteten ihn auf die Trage.
    »Medical Center, ja?« fragte der Arzt. »Haben Sie angerufen?«
    Ich nickte.
    »Ja. Ich sagte, sie sollten alles für eine Blutübertragung und eventuell auch für eine Operation bereitmachen.«
    Einen Augenblick schien es, als ob der Arzt sich wundere. Dann nickte er zustimmend und eilte den Trägern nach. Wir sahen ihnen nach, bis der Wagen mit rotierendem Rotlicht und gellender Sirene aus unserem Gesichtsfeld verschwand.
    »Da«, sagte O’Hara und reichte mir aus seiner Werkzeugtasche einen Putzlappen.
    Ich stutzte, dann besah ich meine Hände. Wortlos nahm ich den Lappen.
    Wir gingen langsam nach vorn zur Straße. Ich hielt dem Kollegen von der technischen Abteilung die Zigarettenschachtel hin. Er bediente sich. Nach dem ersten tiefen Zug fragte er:
    »Ich werde jetzt wohl nicht mehr gebraucht, was?«
    »Nein«, erwiderte ich. »Danke, Steve.«
    »Schon gut, Jerry. Erzähl mir, was aus ihm geworden ist. Sobald du es weißt, ja?«
    »Bestimmt, Steve.«
    Er winkte flüchtig mit der linken Hand und ging zu seinem Thunderbird. Ich blieb neben dem stählernen Träger stehen, wo in der vergangenen Nacht Holly Martins erschossen worden war. Sein Tod bedeutete kein Rätsel mehr für mich. Es war ja so klar, wie sich alles abgespielt haben mußte, diese blutige Tragödie.
    Ich schleuderte die Zigarette fort. Sie schmeckte mir nicht mehr.
    Eine Viertelstunde später stand ich am Empfangsschalter des Medical Center in der Washington Avenue. Eine Schwester von höchstens neunzehn Jahren mit einer hübschen Haube über dem ebenso hübschen tizianroten Haar legte achselzuckend den Telefonhörer zurück.
    »Tut mir leid, Mr. Cotton«, sagte sie. »Der Patient ist im Operationssaal IV B. Mit den Operationssälen gibt es keine Telefonverbindung von außen. Die Stationsschwester kann noch nichts sagen, sie weiß nicht einmal, ob der Patient noch lebte, als er zur ersten Untersuchung in den Operationssaal gebracht wurde.«
    »Danke«, sagte ich. »Vielen Dank. Ich komme wieder. In ein paar Minuten. Ich möchte auf das Ergebnis warten.«
    »Ja, natürlich…« murmelte die Schwester. Sie hatte große rehbraune Augen. Lange konnte sie noch nicht hier in diesem Hause sein. Diese Augen waren zu jung. Sie wußten noch nichts vom Grauen des Todes.
    Mein Jaguar stand zehn Schritte neben dem Aufgang zur Empfangshalle auf einem breiten Kiesweg. Daneben gab es viel Rasen und bunte Blumenbeete. Schmetterlinge schaukelten durch die Luft, zwei Bienen summten über den leuchtenden Blüten scharlachroter Nelken, und weiter hinten im Gebüsch keifte ein halbes Dutzend Spatzen. New Yorks Wolkenkratzer standen fern im Süden und ragten in den wolkenlosen sanftblauen Himmel.
    Ich setzte mich in den Jaguar, stützte den Kopf in die Hände und schloß die müden Augen.
    Irgendwann hob ich den Kopf, griff wieder einmal nach den Zigaretten und nahm den Hörer des Sprechfunkgerätes. Ich rief unsere Leitstelle.
    »Ist Phil im Hause?« war meine erste Frage.
    »Nein, Jerry. Aber er hat eine Nachricht zurückgelassen.

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