0317 - Das Todeslied der Unterwelt
setzte sich wieder hin.
»Leo Moravius hat ausgesagt, daß er Ihre Tante umgebracht hat«, erklärte Norman in geschäftsmäßigem Tonfall. »Und wissen Sie, weshalb? Es geschah auf Ihren Wunsch und gegen Ihre Bezahlung.«
Collins sackte auf seinen Stuhl zurück. Es war, als ob aus einem aufgeblasenen Gummitier ein wenig Luft abgelassen worden sei, so daß die Glieder kraftlos herabhängen.
»Moravius?« wiederholte Collins flüsternd. »Aber den hat man doch erschossen, als er sich seiner Verhaftung widersetzte?«
Collins keuchte. Sein Gesicht hatte sich so verzerrt, daß man sehen konnte, was bevorstand: er würde jeden Augenblick anfangen zu weinen.
Es war soweit. Die Tränen liefen ihm über die hektisch geröteten Wangen. Er wischte sie zweimal mit dem Handrücken ab, hatte aber nicht mehr die Beherrschung um den Tränen Einhalt zu gebieten.
Norman stand auf.
»Legen Sie ein Geständnis ab, Mann!« fuhr er ihn barsch an. »Oder wie lange sollen wir uns noch mit Ihnen herumärgem? Los, spucken Sie schon die Wahrheit aus!«
Collins schrie kreischend:
»Ich gebe alles zu! Ich gebe alles zu! Ich gebe alles zu!«
»Sie gaben den Auftrag, Ihre Tante zu ermorden!« fragte Norman.
Collins nickte schnell hintereinander.
»Ja, ja«, krächzte er.
»Wem gaben Sie den Auftrag?«
»Ich, ich«, keuchte er, schluckte, mußte sich räuspern und fuhr klarer fort: »Ich weiß nicht. Ich sprach mit Theodore Deford darüber. Wir waren betrunken. Es war in einer Bar. Gloria war auch dabei.«
»Erzählen Sie das ausführlich«, verlangte Norman knapp und energisch. »Aber halten Sie sich nicht erst mit Lügen auf. Wir wissen fast alles, sonst säßen Sie ja nicht hier.«
Collins tappte mit unsicheren Schritten auf seinen Stuhl zu.
»Ich muß mich setzen«, murmelte er müde.
»Bitte.«
Collins nahm erneut Platz. Er riß ungeduldig das Hemd am Halse auf.
»Wir waren betrunken«, fing er an. »Theo, Gloria und ich. Und wir hatten eine Menge Schulden. Theos Alter hielt ihn knapp, meine Tante gab mir zuwenig, und Glorias Mann war auch ein Geizkragen. Da sagte Theo auf einmal, er wüßte schon, wie wir es machen müßten, um im Geld zu schwimmen, wenn wir nur Mumm hätten. Ich weiß nicht mehr genau, wie es im einzelnen weiterging. Ich war voll bis obenhin. Ich weiß nur, daß es eben darauf hinauslief, wir sollten sie umbringen lassen, damit wir an die Erbschaft kämen. Theo seinen Vater, Gloria ihren Mann und ich meine Tante. Am nächsten Tag rückte Theo ab und sagte, es wäre alles klar. Für zehntausend Dollar würde die Sache in Ordnung gehen. Ich konnte mich kaum erinnern, was er meinte. Aber nach ein paar Tagen ging es Schlag auf Schlag. Theos Vater wurde ermordet. Kurz darauf Glorias Mann. Und wieder ein paar Tage später meine Tante. Ich war selber überrascht, wie glatt alles ging.«
»Theodore Deford«, wiederholte Norman Pitterley mit einem leichten Nicken.
Auch dieser Fall war ihm nicht unbekannt. Er gehörte zu der Serie von drei Morden, bei denen die »Western Insurance« Lebensversicherungen hatte auszahlen müssen.
Und bei allen dreien war der Chefdetektiv der Versicherung stutzig geworden. Es war Duff Gordon zu danken, daß man zwischen diesen drei Morden überhaupt einen Zusammenhang vermutete.
»Deford ist an allem schuld«, krächzte Collins und fing wieder an zu weinen. »Ich wäre nie auf die Idee gekommen.«
»Wo steckt Theodore Deford? Wo habe ich Aussicht, ihn sofort zu erwischen?«
Collins hatte den Kopf gesenkt. Es dauerte eine Weile, bis er sich zu einer Antwort bequemte. Aber dabei sah er Norman nicht an.
»Deford wartete im Hotel auf unsere Rückkehr«, murmelte er leise. »Wahrscheinlich in der Bar…«
Norman stand auf. Mit einem Kopfnicken gab er Sam zu verstehen, daß er Collins in den Zellentrakt einliefern sollte.
Er selbst setzte sich den Hut auf und machte sich auf den Weg, den dritten zu holen.
***
Na ja. Es war das übliche. Irgendwann fanden sich meine fünf Sinne sehr zögernd wieder ein, aber offenbar nur zu dem Zweck, mir bewußt zu machen, wie scheußlich weh mein Kopf tat. Ich nehme an, daß ich ein paarmal gestöhnt habe.
Plötzlich krachte etwas ziemlich unsanft drei-, viermal in mein Gesicht, und eine Stimme verlangte:
»Los, mach die Augen auf! Stell dich nicht so an!«
Ich wußte ganz genau, daß ich diese Stimme schon einmal gehört hatte. Aber es fiel mir einfach nicht ein, wem sie gehörte. Im übrigen befand ich mich in jenem Zustand, wo einem die
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