0320 - Der Fluch von Babylon
verfluchten Götzen ein Schnippchen schlagen und hoffte stark, daß mir dies auch gelang.
Wir mußten vorgehen. Dabei gerieten wir nicht näher an die Gefangenen heran. Ich würdigte sie auch keines Blickes mehr und hoffte nur, daß Suko verstanden hatte.
»Willst du die Gefangenen befreien?« Judith hatte die Frage leise gestellt. Sie war im Geräusch der Schritte kaum zu hören gewesen.
»Natürlich.«
»Es wird unmöglich sein.«
»Vielleicht schaffst du es!«
Meine Worte hatten sie so überrascht, daß sie regelrecht erschrak.
»Wie könnte ich das schaffen?«
»Mit dem Schwert!«
»Aber…«
»Es wird sich bestimmt alles ergeben«, unterbrach ich sie leise.
»Die Aufmerksamkeit der anderen konzentrierte sich auf mich. Du bist eine Frau, Judith. Man wird dir nicht allzuviel zutrauen. Und das kann unsere Chance sein. Tu auf jeden Fall, was ich dir sage.«
»Aber ich werde in dieser Nacht sterben. So hat es der Prophet vorausgesagt.«
Verdammt, das hatte ich vergessen. Tief holte ich Luft, schmeckte den in der Luft liegenden Staub und ballte die Hände. Ja, sie hatte recht.
Möglicherweise konnte sie es wirklich nicht schaffen, doch daran wollte ich jetzt nicht denken, ich mußte handeln, wie es die Lage ergab, zudem hatten wir die Hälfte der Strecke vom Tor bis zum Blutaltar bereits hinter uns gelassen.
Es wurde spannend.
Oder tödlich…
Und ich sah ihn.
Bisher hatte er sich im Hintergrund gehalten. Plötzlich bekamen die Flammen, die sonst klar aus den hohen Tonkrügen loderten, einen anderen Glanz. Zudem wurden sie von Nebelwolken durchwallt, und dies war ein Zeichen für ihn.
Okastra kam!
Ich schluckte, als ich die Gestalt besser erkannte. Sie schien nur aus Nebel zu bestehen, bis auf die leuchtenden Augen. Die Gestalt innerhalb der Wolke war nur schwach zu sehen.
Okastra erwartete uns. Ich war nicht einmal überrascht. Dafür vernahm ich den leisen Ruf meiner Begleiterin. Wahrscheinlich sah sie den Dämon zum erstenmal.
»Wer ist das?« hauchte sie.
Ich sagte den Namen.
»Nie gehört«, flüsterte sie. »Was hat dieser Okastra mit uns zu tun?«
»Er ist Baals Diener. Die Magie des Götzen hat ihn erweckt, und mit ihm hat fast alles begonnen.«
Ich drückte mir die Daumen, daß er mich nicht erkannte, und sah aus der Dunkelheit noch mehr Soldaten herbeikommen, die uns einkreisten.
Anscheinend hatte man Angst, daß doch nicht alles so glatt über die Bühne laufen würde.
Mal abwarten.
Befehle brauchte man uns nicht zu geben. Wir wußten auch so, wo wir hinzugehen hatten. Der Blutaltar wartete.
Es waren noch wenige Schritte bis zu unserem Ziel. Ich spürte, wie Judith zitterte. Schweiß bedeckte ihre Hand. Als ich einen Blick zur Seite warf, sah ich ihre Lippen, die sich bewegten. In ihren Augen brannte es.
»Ich fühle den Tod!« flüsterte sie, während mir bei ihren Worten eine Gänsehaut den Rücken hinabrann.
»Noch ist es nicht soweit.«
»Doch, ich kann ihm nicht entrinnen.«
Es war nicht gut, Gedanken auf ein Ereignis zu konzentrieren, das noch nicht stattgefunden hatte. Wenn ich schon nachdachte, dann mußten sich meine Gedanken um die akuten Probleme drehen.
Noch hatte ich Glück, denn ich war als John Sinclair nicht erkannt worden. Auch nicht von Okastra, der sich wieder ein wenig zurückgezogen hatte. Und das wunderte mich. Ihn konnte man doch nicht so leicht bluffen. Vielleicht wußte er Bescheid und sagte nur nichts, damit die Überraschung später um so größer war.
Zuzutrauen war ihm alles.
Die babylonischen Soldaten umringten uns. Es waren in der Regel kleine, gedrungene Kerle. Mit Schwertern bewaffnet. Einige von ihnen trugen auch Lanzen. Nur bei wenigen steckten zusätzlich noch Streitäxte in den Gürteln.
Wir gingen weiter auf den Blutaltar zu. Ich sah die große Platte, über die ein verzerrtes Muster aus Schatten tanzte. Dazwischen und direkt auf der Platte erkannte ich dunkle Flecken. Wahrscheinlich war es das Blut der getöteten Menschen. Man hatte es nicht weggewischt, und es war eingetrocknet.
Vor dem Altar mußten wir stehenbleiben.
Sekundenlang ließ man uns in Ruhe. So hatte ich Zeit, die Atmosphäre in mir aufzunehmen.
Ich mußte ehrlich zugeben, daß mir nicht eben wohl in meiner Haut war. Auf dem Hof herrschte eine seltsame Ruhe.
Ich wurde unwillkürlich an eine Filmszene erinnert.
Wieder dachte ich an meinen Dolch, der sich noch immer in Besitz des Götzen Baal befand. Ich hätte Hesekiel danach fragen sollen, aber es war einfach
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