0320 - Der Fluch von Babylon
wohin man mich führte.
Ich nahm auch die Gerüche wahr. Es roch nach Menschen und auf gewisse Art und Weise nach Unsauberkeit.
Nach einiger Zeit erreichten wir einen breiteren Gang. Noch immer fühlte ich Judiths Hand an der meinen. Ich hörte ihre Stimme, die leise Gebete sprach.
Wir mußten nach rechts gehen.
Der Fackelträger hatte bereits die Tür erreicht, die zum Ausgang führte. Sie war ziemlich groß, wenn auch nicht hoch. Dafür bestand sie aus zwei Hälften.
Die rechte davon zog der Mann auf.
Schon jetzt konnte ich auf den Hof schauen und sah den Feuerschein.
Die Flammen stachen wie lange Arme in den Himmel. Sie zuckten, sie tanzten, sie gaben Licht und in dem gleichen Maße auch Schatten. Vom Blutaltar Baals sah ich noch nichts, dafür löste Judith ihre Hand aus der meinen.
Nebeneinander schritten wir her, passierten das Tor und standen auf dem großen Innenhof, der gleichzeitig eine Opferstätte des finsteren Blutgötzen Baal war.
Ich ging nicht mehr weiter, auch wenn man mir eine Hand ins Kreuz drückte, dicht unterhalb der Rüstung. Mich interessierte dieser Innenhof, denn ich wollte mich schon jetzt orientieren.
Er war groß.
Auch dunkel, denn die Feuer, deren drei Flammen aus hohen Tongefäßen loderten, beleuchteten nur einen Teil des Hofes, gewissermaßen die Mitte, wo auch der Blutaltar stand.
Er war sehr schlicht und mit dem zu vergleichen, den ich aus dem engen Tal kannte.
Ein Standbein, eine Platte aus Stein und dabei sehr breit, so daß zahlreiche Opfer darauf Platz finden konnten. Ansonsten gab es nichts Außergewöhnliches.
Das änderte sich, als ich nach links schaute.
Schon oft in meinem Leben hatte ich Überraschungen erlebt. Positive und negative.
Diese allerdings, die man mir hier präsentierte, hauten mich fast aus den Schuhen.
Ich hatte das Gefühl, wirklich einen Traum zu erleben, denn was dort an der linken Seite zu sehen war, galt eigentlich als unfaßbar.
Das war unmöglich.
Und doch stimmte es.
»Was hast du?« Judith hatte meine Überraschung bemerkt und drehte ebenfalls den Kopf.
»Schau dir die Männer an!« hauchte ich.
»Sie sind ebenfalls gefangen.«
»Ich kenne einen von ihnen. Er ist mein bester Freund. Und die einzige Frau, die an den Pfahl gebunden ist, kenne ich ebenfalls.«
»Kommen Sie auch aus dieser Zeit?«
»Natürlich.«
Ich redete ohne Emotionen, antwortete automatisch, während ich meine Blicke nicht von den Gefangenen lösen konnte, die vom Schein der Flammen aus der Dunkelheit gerissen wurden.
Suko!
Mein Gott, ich konnte es nicht fassen. Er stand da, schaute mich an, und ich fragte mich, ob er mich überhaupt erkannt hatte. Auch die anderen Gefangenen hatten ihre Blicke in unsere Richtung gedreht. Ich erkannte dies an der Haltung ihrer Köpfe.
Claudia Darwood ebenfalls. Was mußte die Frau hinter sich haben! Sie hielt sich tapfer. Kein Laut der Klage drang über ihre Lippen. Ein Teil ihrer Kleidung war zerrissen, die Haare zerwühlt.
Die anderen fünf Männer trugen Uniformen. Das mußten Marine-Soldaten sein. Wie das nun alles zusammen hing, war mir unbekannt, ich würde es noch erfahren.
Nichts deutete darauf hin, daß mich Suko erkannt hatte. Deshalb wollte ich ihn auf mich aufmerksam machen, öffnete den Mund und stieß einen gellenden Schrei aus.
Suko kannte den Schrei. Wenn er ihn hörte, mußte er Bescheid wissen.
Ich beobachtete Suko genau und sah, daß sich seine Haltung veränderte.
Trotz der Fesseln wurde sie noch gespannter und gleichzeitig auch lauernd.
Er hatte verstanden!
Die Bewacher ebenfalls. Sie regten sich auf. Gegen die Rüstung dröhnten Schläge, und aus der Dunkelheit des übrigen Hofes lösten sich weitere Soldaten.
Sie brauchten keine Angst zu haben. Noch war ich ruhig. Der Zeitpunkt zum Eingreifen würde kommen! Zunächst einmal mußte ich die Lage sondieren, außerdem drohte Suko und den anderen Gefangenen momentan keine Gefahr.
Ich konnte also alles an mich herankommen lassen.
Judith und ich wurden vorgestoßen. Die Schläge in den Rücken zeigten die Richtung genau an. Der Weg führte nicht zu den Gefangenen, sondern auf Baals Blutaltar zu, wo wir dem Götzen geopfert werden sollten. Sterben im alten Babylon. Für den Geisterjäger John Sinclair eigentlich ein würdiger Tod, wenn ich näher darüber nachdachte.
Denn welcher Mensch aus der Zukunft starb schon in der Vergangenheit?
Nur hatte ich kein Interesse daran, in einer biblischen Vergangenheit mein Leben auszuhauchen. Ich wollte dem
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